Höllenflut
Zhong.
Qin Shang dachte kurz nach. »Nein, er soll sich um diesen
Dirk Pitt kümmern.«
»Neuesten Meldungen zufolge war er zuletzt in Manila.«
»Auf den Philippinen?« sagte Qin Shang, der zusehends die
Fassung verlor. »Pitt war auf den Philippinen? Von dort aus ist
man mit dem Flugzeug in zwei Stunden in Hongkong. Warum
hat man mir das nicht mitgeteilt?«
»Gawrowitsch hat uns erst vor einer Stunde Bescheid
gegeben. Er hat Pitt bis zum Hafen von Manila verfolgt, wo er
und sein Partner Albert Giordino sich an Bord eines iranischen
Frachters begaben.«
»Handelt es sich etwa um den gleichen iranischen Frachter,
der unweit der United States vor Anker lag?« fragte Qin Shang
leise, aber böse.
»Eindeutig konnte das noch nicht bestätigt werden«, erwiderte
Su Zhong. »Aber alle Anzeichen deuten darauf hin, daß es sich
um ein und dasselbe Schiff handelt.«
»Pitt muß irgend etwas mit dieser Sache zu tun haben. Er
leitet die Spezialprojekte der NUMA. Vermutlich kann er ein
Tauchboot steuern. Aber weshalb sollte mich die
Meeresforschungsbehörde ausspähen?«
»Am Orion Lake hat er sich offenbar rein zufällig
eingemischt«, sagte Su Zhong. »Aber vielleicht arbeitet er
mittlerweile für einen amerikanischen Geheimdienst, zum
Beispiel für die CIA.«
»Durchaus möglich« versetzte Qin Shang, der immer
aufgebrachter klang. »Dieser fremde Teufel ist weitaus
gefährlicher, als ich angenommen habe.« Er schwieg einen
Moment. »Teilen Sie Gawrowitsch mit, daß er sich ab sofort um
diese verdeckten Einsätze gegen die Qin Shang Maritime
kümmern soll. Er soll herausfinden, wer dahintersteckt, und
dafür sorgen, daß sie aufhören. Er hat völlig freie Hand und
bekommt unbegrenzte Mittel zur Verfügung gestellt.«
»Und was ist mit Dirk Pitt?«
»Sagen Sie Gawrowitsch, daß er die Liquidierung dieses Pitt
aufschieben soll, bis er zurückkehrt.«
»Nach Manila?«
Qin Shangs Atem ging rascher, und sein Mund war zu einem
schmalen Strich zusammengekniffen. »Nein, wenn er nach
Washington zurückkehrt.«
»Woher wollen Sie wissen, daß er sich anschließend wieder in
die amerikanische Hauptstadt begibt?«
»Ich kann die Eigenschaften eines Menschen nicht anhand
eines Fotos erkennen wie Sie, Su Zhong, aber ich habe mich mit
der Lebensgeschichte dieses Mannes befaßt, vom Tag seiner
Geburt bis zu der Nacht, in der er mein Unternehmen am Orion
Lake ruiniert hat. Glauben Sie mir, er wird nach Hause
zurückkehren, so schnell er kann.«
Su Zhong erschauderte leicht. Sie wußte, was jetzt kam.
»Sprechen Sie von diesem Flugzeughangar, in dem er wohnt
und seine Oldtimer-Sammlung stehen hat?«
»Ganz recht«, zischte Qin Shang. »Ich möchte Pitts entsetztes
Gesicht sehen, wenn seine kostbaren Automobile vor seinen
Augen in Flammen aufgehen. Vielleicht nehme ich mir sogar
die Zeit und schaue zu, wie er mit ihnen verbrennt.«
»Ihr Terminkalender erlaubt keine Reise nach Washington.
Für nächste Woche sind eine Konferenz mit Ihren Direktoren in
Hongkong und eine Besprechung mit Regierungsvertretern in
Peking angesetzt.«
»Sagen Sie ab«, versetzte er kurzerhand. »Vereinbaren Sie
Termine mit meinen Freunden im Kongreß. Und sorgen Sie
dafür, daß ich den Präsidenten sprechen kann. Es wird Zeit, daß
ich die Bedenken zerstreue, die sie möglicherweise gegen
Sungari hegen.« Er schwieg einen Moment und rang sich ein
finsteres Lächeln ab. »Außerdem möchte ich es mir nicht
nehmen lassen, persönlich zur Stelle zu sein, wenn Sungari zum
wichtigsten Seehafen von Nordamerika wird.«
21
Als die Sonne aufging, dampfte die Oregon bei klarem
Himmel und ruhiger See mit flotten dreißig Knoten dahin. Sie
lag jetzt viel höher, nachdem die Ballasttanks abgepumpt
worden waren, und bot weit weniger Strömungswiderstand,
zumal das Heck durch die auf Hochtouren drehenden Schrauben
tief ins Wasser gedrückt wurde. Über Nacht waren die Trümmer
vom Frachtdeck geräumt worden, während der Schiffsarzt
pausenlos Wunden versorgt und die Schwerverletzten operiert
hatte. Die Oregon hatte nur einen Mann verloren, der
unglücklicherweise von einem Splitter am Kopf getroffen
worden war, als eine 100-Millimeter-Granate den Hecküberhang
weggerissen hatte. Keiner der Verletzten schwebte in
Lebensgefahr. Auch die meisten chinesischen Seesoldaten hatte
der Arzt retten können. Die beiden toten Offiziere und vier
weitere Männer, die nicht mit dem Leben davongekommen
waren, hatte man über Bord geworfen.
Die Frauen,
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