Höllenflut
Umgebung. Sie stellte fest, daß sie
allein in dem riesigen Bett mitten in einem mit Mahagoni
getäfelten Raum lag, der aussah wie die Kapitänskajüte auf
einem alten Segelschiff. Sogar ein kleiner Kamin war
vorhanden. Die Kommoden und Wandschränke, sämtliches
Mobiliar stammte offenbar ebenfalls aus der hohen Zeit der
Seefahrt.
Julia war, wie fast alle Frauen, neugierig und gespannt, wenn
sie in die Wohnung eines Junggesellen kam. Nichts verriet ihrer
Ansicht nach mehr über das andere Geschlecht als ihre
unmittelbare Umgebung. Manche Männer hausten, wie man als
Frau nur allzuoft feststellen mußte, buchstäblich wie die
Kanalratten. Sie putzten nicht, räumten nicht auf, und in ihren
Badezimmern und Kühlschränken wucherten mitunter seltsame
Lebensformen. Vom Bettenmachen hatten sie offenbar noch nie
etwas gehört, an der Waschmaschine, die halb unter den
Wäschebergen begraben war, hing noch die
Gebrauchsanleitung.
Daneben gab es die Sauberkeitsfanatiker, in deren Umfeld
sich nur ein Sterilisationsforscher wohl fühlen konnte. Jedes
Staubkorn, jeder Brotkrümel oder Zahnpastaspritzer wurde
augenblicklich beseitigt. Sämtliche Möbelstücke, Bilder und
Vasen eingeschlossen, befanden sich an ihrem angestammten
Platz und durften unter keinen Umständen verrückt werden. An
der Küche hätte selbst der pedantischste Kontrolleur vom
Ordnungsamt nichts auszusetzen gehabt.
Pitts Wohnung war eine Mischung aus beidem. Sie war
sauber und ordentlich, strahlte aber auch eine gewisse maskuline
Lässigkeit aus, die den Frauen durchaus zusagte, die
gelegentlich hier zu Besuch weilten. Julia fiel auf, daß Pitt
offenbar eine Vorliebe für vergangene Zeiten hatte. In der
ganzen Wohnung gab es nicht ein modernes Stück. Selbst die
Bronzeschellen an den Wasserrohren in Küche und Bad sahen
aus, als stammten sie von einem alten Passagierdampfer.
Sie rollte sich auf die andere Seite und blickte durch die
offene Tür ins Wohnzimmer, wo zwei Regalwände voller
liebevoll gebastelter Schiffsmodelle standen, Nachbauten der
Wracks, die Pitt und seine Kollegen von der NUMA entdeckt
und erkundet hatten. Die beiden übrigen Wände zierten
sogenannte Werftmodelle, wie sie einstmals vor dem Bau eines
großen Segelschiffes angefertigt wurden, sowie vier Seestücke -
Dampfschiffe aus dem neunzehnten Jahrhundert - von Richard
DeRossett, einem zeitgenössischen amerikanischen Künstler.
Die Wohnung strahlte eine gewisse Behaglichkeit aus, ohne
allzu gediegen und schick zu wirken.
In Pitts Wohnung, auch das wurde ihr sehr rasch klar, gab es
keinerlei weibliche Note. Das hier war das ganz persönliche
Reich eines Mannes, der seine Unabhängigkeit schätzte, der
Frauen zwar verehrte und bewunderte, sich von ihnen aber
niemals gänzlich würde beherrschen lassen. Er war ein Mann,
auf den die Frauen flogen, mit dem sie Abenteuer jedweder Art
erleben konnten, aber heiraten würde er nie.
Sie roch den Kaffeeduft, der aus der Küche drang, Pitt jedoch
war nirgendwo zu sehen. Sie setzte sich auf und stellte die
bloßen Füße auf den Holzboden. Ihr Kleid und ihre
Unterwäsche hingen ordentlich in einem offenen
Kleiderschrank, trocken und gebügelt. Sie tappte über die
Bodenplanken zum Badezimmer und lächelte sich im Spiegel
an, als sie ein Tablett mit einer noch verpackten Zahnbürste,
Feuchtigkeitscreme, Duschgel, Badeöl, Schminksachen und
mehreren Haarbürsten sah. Unwillkürlich fragte sie sich, wie
viele Frauen vor ihr schon so dagestanden und in ebendiesen
Spiegel geblickt haben mochten. Sie duschte sich in einer Art
aufrecht stehendem Kupfertank, trocknete sich ab und fönte ihre
Haare. Nachdem sie sich angezogen hatte, ging sie in die Küche,
nahm sich eine Tasse Kaffee und trat dann hinaus auf den
Balkon.
Pitt war unten im Erdgeschoß. Er trug einen Overall und
tauschte gerade die zertrümmerte Windschutzscheibe des
Duesenberg aus. Bevor sie ihn begrüßte, ließ sie den Blick kurz
über den blitzenden und funkelnden Maschinenpark in der
großen Halle schweifen.
Sie kannte die Autos nicht, die da in Reih und Glied standen,
ebensowenig das Ford-Trimotor-FIugzeug und den Düsenjäger
vom Typ Messerschmitt 262 , die nebeneinander am hinteren
Ende des Hangars standen. Da drüben war ein großer,
altmodischer Pullmann-Wagen, der auf einem kurzen
Schienenstück ruhte, auf einem Podest dahinter stand eine kleine
Badewanne mit einem Außenbordmotor, unmittelbar daneben
ein absonderliches
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