Höllenflut
der Schlag wider die Bundesregierung von zwei
Seiten zugleich erfolgt. Denn vor Pazifika«, erklärte Qian
Miang, »kommt es möglicherweise zur Gründung von Hispania,
einer weiteren neuen Nation mit einer überwiegend Spanisch
sprechenden Bevölkerung, die sich von Südkalifornien über
Arizona, New Mexico und den südlichen Teil von Texas
erstrecken dürfte.«
»Ich halte es für undenkbar, daß sich die USA in absehbarer
Zeit in drei souveräne Staaten aufspaltet«, sagte Qin Shang.
»Bedenken Sie doch nur, wie sich die Grenzen in Europa im
Lauf der letzten hundert Jahre verändert haben. Die Vereinigten
Staaten werden nicht für alle Ewigkeit eine einige Großmacht
bleiben, genausowenig wie das Römische Reich. Und das
Schöne am Projekt Pazifika ist, daß die Volksrepublik China
aufgrund ihrer Macht und ihres Einflusses die gesamte
Wirtschaft der Anrainerstaaten rund um den Pazifischen Ozean
beherrschen wird, Taiwan und Japan eingeschlossen.«
»Als treuer Bürger meines Landes«, sagte Qin Shang,
»möchte ich sichergehen, daß ich einen kleinen Teil zur
Verwirklichung dieses Planes beigetragen habe.«
»Das haben Sie, mein Freund, das haben Sie«, beruhigte ihn
Qian Miang. »Aber zuerst müssen Sie bis spätestens heute
nachmittag um zwei das Land verlassen haben. Zu diesem
Zeitpunkt will man Sie nach Auskunft meiner Informanten im
Justizministerium verhaften.«
»Und wegen Mordes anklagen?«
»Nein, wegen vorsätzlicher Beschädigung von
Bundeseigentum.«
»Das klingt eher nach einer Bagatelle.«
»Es ist nur der erste Schritt, den die US-Regierung gegen Sie
unternimmt. Die Mordanklage in Zusammenhang mit den
Vorfällen am Orion Lake wird nachfolgen. Außerdem gedenkt
man Sie wegen Verstößen gegen die Einwanderungs-, Zoll- und
Steuergesetze zu belangen.«
»Ich kann mir vorstellen, daß sich die Medien darauf stürzen
wie ein Heuschreckenschwarm.«
»Kein Zweifel«, sagte Qian Miang, »es wird einen
Riesenwirbel geben. Aber wenn Sie in aller Stille verschwinden
und Ihre Geschäfte von Hongkong aus weiterführen, ohne
großes Aufsehen zu erregen, werden wir den Sturm meiner
Meinung nach überstehen. Der Kongreß und das Weiße Haus
werden wegen der Taten eines Mannes nicht die guten
Beziehungen zwischen unseren Ländern aufs Spiel setzen. Wir
werden natürlich jede Kenntnis von Ihren Machenschaften
leugnen, und zugleich wird unser Propagandaministerium eine
Flut von Verlautbarungen herausgeben, in denen den
taiwanesischen Kapitalisten alle Schuld zugeschoben wird.«
»Dann werde ich also nicht den Hunden zum Fraß
vorgeworfen?«
»Wir schützen Sie, Das Justiz- und das Außenministerium
werden Ihre Auslieferung verlangen, doch da können Sie ganz
beruhigt sein - das wird nicht geschehen, nicht bei einem Mann
mit Ihrer Macht und Ihrem Reichtum. Sie können der
Volksrepublik China noch viele Jahre treue Dienste leisten. Ich
versichere Ihnen im Namen unseres Volkes, daß wir Sie nicht
verlieren möchten.«
»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte Qin Shang feierlich.
»Dann heißt es also Abschied nehmen.«
»Bis wir uns in der Heimat wiedersehen«, sagte Qian Miang.
»Übrigens, wie fanden Sie die Dattelküchlein?«
»Bestellen Sie dem Chefkoch, daß er süßes Reismehl statt
Maisstärke nehmen soll.«
Die Boeing 737 stieg in den wolkenlos blauen Himmel auf
und zog in einer weiten Schleife über das Mississippi-Delta
hinweg. Der Pilot blickte durch das seitliche Cockpitfenster
hinab auf das Marschland des Plaquemine Parish. Keine fünf
Minuten später überflog die Maschine in der Nähe der
Kleinstadt Myrtle Grove die grünbraunen Fluten des
Mississippi. Auf Anweisung seines Arbeitgebers war der Pilot
von Washington aus zunächst auf Südwestkurs gegangen,
Richtung Louisiana, und steuerte jetzt gen Westen, auf Sungari
zu.
Qin Shang saß in einem bequemen Sessel in seinem mit allen
Schikanen ausgestatteten Privatjet und blickte durch das Fenster,
als die goldenen Pyramiden seiner Lagerhäuser und
Verwaltungsgebäude am Horizont auftauchten. Gleißend
spiegelte sich die Nachmittagssonne in den goldbeschichteten
Außenwänden - genauso, wie Qin Shang es von seinen
Architekten und Baumeistern verlangt hatte.
Zunächst versuchte er nicht weiter über den Hafen
nachzudenken. Schließlich war es allenfalls eine mißglückte
Investition. Doch Qin Shang hatte zuviel Anteil an diesem
Projekt genommen. Die Vorstellung, daß der schönste,
modernste und leistungsfähigste Hafen der Welt ungenutzt
Weitere Kostenlose Bücher