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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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verfallen sollte, ließ ihm keine Ruhe. Er blickte hinab, sah aber
kein Schiff an den Kais liegen. Sämtliche Schiffe der Qin Shang
Maritime Limited, die in den Golf eingelaufen waren, waren
nach Tampico in Mexiko umgeleitet worden.
    Er griff zum Hörer der Bordsprechanlage und befahl dem
Piloten, über dem Hafen eine Schleife zu fliegen. Er drückte das
Gesicht an die Scheibe, als der Pilot die Maschine in die Kurve
legte, damit er einen besseren Ausblick hatte. Nach kurzer Zeit
schweiften Qin Shangs Gedanken ab. Versonnen blickte er vor
sich hin, ohne die leeren Kais, die großen, einsam und verlassen
dastehenden Ladekräne und die ungenutzten Lagerhäuser
wahrzunehmen. Daß ihm um ein Haar die größte
unternehmerische Tat der Geschichte gelungen wäre, daß er
etwas gewagt hatte, was noch kein Mensch versucht hatte,
bereitete ihm nur wenig Genugtuung. Er war nicht der Mann,
der über ein Versagen einfach hinwegsehen und sich dem
nächsten Vorhaben zuwenden konnte.
    »Sie werden zurückkommen«, ertönte die wohlklingende,
tröstliche Stimme seiner Privatsekretärin Su Zhong.
Qin Shang spürte, wie ihn der Unmut packte. »Nicht in
nächster Zeit. Sobald ich auch nur einen Fuß auf amerikanischen
Boden setze, wird man mich in eins ihrer Gefängnisse werfen.*
»Das wird nicht immer so bleiben. Schon bei der nächsten
Wahl kann Amerika eine andere Regierung haben. In diesem
Land kommen und gehen die Politiker wie die Schwalben im
Sommer. Die neuen Leute werden sich nicht mehr persönlich an
Ihre Unternehmungen erinnern. Nach einiger Zeit wird das
Urteil über Sie milder ausfallen. Sie werden sehen, Qin Shang.«
»Schön, daß Sie das sagen, Su Zhong.«
»Möchten Sie, daß ich Personal zur Pflege und Wartung des
Hafens einstelle?« fragte sie.
»Ja«, versetzte er mit einem knappen Nicken. »Wenn ich in
zehn, zwanzig Jahren zurückkehre, soll Sungari noch genauso
aussehen wie jetzt.«
»Ich mache mir Sorgen, Qin Shang.«
Er blickte sie an. »Warum?«
»Ich traue den Männern in Peking nicht. Sie haben dort zu
viele Neider. Ich habe Angst davor, daß man Ihr Mißgeschick
ausnutzen könnte.«
»Um mich beseitigen zu lassen?« sagte er mit einem schmalen
Lächeln.
Sie senkte den Kopf, konnte ihm nicht in die Augen sehen.
»Ich bitte um Vergebung für meine unziemlichen
Überlegungen.«
Qin Shang erhob sich und nahm Su Zhong bei der Hand.
»Keine Sorge, meine kleine Schwalbe. Ich habe bereits ein
Projekt im Sinn, für das mich das chinesische Volk für immer in
Ehren halten wird. Ich werde ihm ein Geschenk machen, das
man auch in zweitausend Jahren nicht vergißt.« Dann geleitete
er sie in das geräumige Schlafzimmer im hinteren Teil des
Flugzeugs. »Und nun«, sagte er leise, »darfst du mich über mein
Mißgeschick hinwegtrösten.«
47
    Nach dem Gespräch mit Dirk und Julia krempelte St. Julien
Perlmutter die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit.
Sobald er sich auf die Suche nach einem verschollenen Schiff
begab, packte ihn der Ehrgeiz. Er prüfte jede Spur, ging jedem
Gerücht nach, so unbedeutend es auch sein mochte. Durch
seinen Eifer und seine Beharrlichkeit war er zwar schon oftmals
auf die entscheidenden Auskünfte und Hinweise gestoßen, die
letztlich dazu führten, daß man ein Schiffswrack fand, doch die
Fälle, in denen er gescheitert war, überwogen bei weitem. Die
Mehrzahl aller Schiffe verschwand, ohne eine Spur zu
hinterlassen. Sie wurden einfach von der unendlichen See
geschluckt, und die gab ihre Geheimnisse nur selten preis.
    Auf den ersten Blick sah es so aus, als sei auch die Princess
Dou Wan einer der zahlreichen hoffnungslosen Fälle, mit denen
sich Perlmutter im Laufe seiner jahrzehntelangen
marinehistorischen Forschungen befaßt hatte. Er durchforstete
zunächst die einschlägigen Werke in seiner eigenen riesigen
Sammlung, dann wandte er sich an die Marinearchive in den
Vereinigten Staaten und der übrigen Welt.
    Je schwieriger sich die Suche gestaltete, desto beharrlicher
betrieb er sie, auch wenn er Tag und Nacht arbeiten mußte. Er
sammelte jeden einzelnen Hinweis über die Princess Dou Wan, alles, was er von dem Zeitpunkt, da sie auf Kiel gelegt worden
war, bis zu ihrem Verschwinden auftreiben konnte. Er besorgte
sich Baupläne und Konstruktionszeichnungen, darunter genaue
Angaben zu den Maschinen, zur Ausrüstung, den Abmessungen
und der Anlage der Decks. Besonders interessierte ihn eine
Beschreibung ihrer Fahreigenschaften, die er in den

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