Höllenflut
seine
Erregung nicht mehr bezähmen konnte. »Hat Gallagher
angegeben, an welcher Position sich das Schiff ungefähr befand,
als es vor Chile gesunken ist?«
»Halten Sie sich fest, mein lieber Freund aus dem Fernen
Osten«, sagte Perlmutter. »Die Princess Dou Wan ist nicht im
Südpazifik untergegangen.«
»Aber was ist mit dem letzten Notruf?« murmelte Zhu Kwan
verwirrt.
»Sie liegt am Grunde des Michigansees, in Nordamerika.«
»Unmöglich!« stieß Zhu Kwan aus.
»Glauben Sie mir, es stimmt. Der Notruf war eine Täuschung.
Der Kapitän und die Besatzung haben auf Anweisung von
General Kung Hui den Namen geändert und sie als ihr
Schwesterschiff ausgegeben, die Princess Yung Tai. Dann
fuhren sie durch den Panamakanal, die Ostküste der Vereinigten
Staaten hinauf und den Sankt-Lorenz-Strom hinab zu den
Großen Seen. Dort wurde sie von einem furchtbaren Sturm ereilt
und ging zweihundert Meter nördlich von Chicago, ihrem
Bestimmungsort unter.«
»Das ist unglaublich. Sind Ihre Quellen absolut zuverlässig?«
»Ich faxe Ihnen Gallaghers Bericht von der Reise und dem
Untergang.«
Zhu Kwan wurde zusehends unwohl. »Hat Gallagher etwas
von der Fracht des Schiffes erwähnt?«
»Er bezieht sich nur kurz darauf«, erwiderte Perlmutter.
»Gallaghers Worten zufolge erklärte ihm General Hui, daß sich
in den zahllosen Holzkisten und Truhen, die in Schanghai an
Bord gebracht wurden, persönliche Einrichtungsgegenstände
und Kleidungsstücke hochrangiger nationalchinesischer
Beamter und Militärs befänden, die vor den Kommunisten vom
chinesischen Festland flüchteten.«
Zhu Kwan atmete erleichtert auf. Noch war das Geheimnis
gewahrt. »Dann treffen offenbar die Gerüchte nicht zu, wonach
die Princess Dou Wan eine wertvolle Fracht an Bord gehabt
haben soll.«
»Ein bißchen Schmuck vielleicht, aber mit Sicherheit nichts,
was einen professionellen Schatzsucher anlocken könnte.
Vermutlich holt allenfalls gelegentlich ein Sporttaucher den
einen oder anderen Gegenstand herauf.«
»Haben Sie außer mir noch jemanden von Ihrem Fund
verständigt?« fragte Zhu Kwan argwöhnisch.
»Keine Menschenseele«, antwortete Perlmutter. »Sie sind der
einzige, der sich meines Wissens für das Wrack interessiert.«
»Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, St. Julien, wenn
Sie Ihre Entdeckung nicht bekanntgeben würden. Zumindest
nicht in den nächsten Monaten.«
»Ich verspreche Ihnen, daß ich ab sofort kein Wort darüber
verlieren werde.«
»Außerdem hätte ich einen persönlichen Wunsch -«
»Nur heraus damit.«
»Schicken Sie Gallaghers Bericht bitte nicht per Fax. Ich
glaube, Sie sollten ihn mir besser per Kurier zukommen lassen.
Selbstverständlich werde ich für sämtliche Kosten aufkommen.«
»Wie Sie wünschen«, meinte Perlmutter. »Sobald ich auflege,
werde ich einen Kurierdienst mit der Zustellung beauftragen.«
»Vielen Dank, mein Freund«, sagte Zhu Kwan mit
Nachdruck. »Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen. Die Princess Dou Wan ist zwar nicht von großem historischen oder
wirtschaftlichen Wert, aber sie will mir schon seit vielen Jahren
nicht mehr aus dem Kopf gehen.«
»Glauben Sie mir, ich kenne das. Manche verschollenen
Schiffe, so unbedeutend sie auch sein mögen, lassen einen als
Forscher nicht mehr in Ruhe. Man kann nicht davon ablassen,
bis man das Geheimnis um ihr Verschwinden gelöst und sie
gefunden hat.«
»Vielen Dank, St, Julien, vielen herzlichen Dank.«
»Ich wünsche Ihnen alles Gute, Zhu Kwan. Auf
Wiederhören.«
Der chinesische Historiker konnte sein Glück kaum fassen.
Noch vor wenigen Minuten hatte er gemeint, er stünde vor
einem unlösbaren Rätsel, doch mit einemmal hatte sich alles wie
von selbst ergeben. Trotz aller Begeisterung beschloß er, Qin
Shang erst dann Bescheid zu geben, wenn der Kurier mit Ian
Gallaghers Bericht von den letzten Stunden der Princess Dou
Wan eingetroffen war und er ein, zwei Stunden Zeit gehabt
hatte, ihn zu lesen.
Qin Shang dürfte überaus erfreut sein, wenn er erfuhr, daß die
großen Kunstschätze, die man diesem Land geraubt hatte, all die
Jahre über in einem See gelegen hatten, in Süßwasser. Sie waren
sicher so gut erhalten, daß man jetzt nur noch zugreifen
brauchte. Zhu Kwan hoffte inständig, daß er es noch erleben
möge, wenn man all diese großartigen Werke eines Tages in
einem Nationalmuseum zur Schau stellte.
»Sie machen das gut, St. Julien«, sagte Sandecker, als
Perlmutter den Hörer auflegte. »Sie
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