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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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in dem seit
über einem halben Jahrhundert niemand mehr geputzt hatte.
Hall steuerte den MiniRover um die Brücke herum. Der
Großteil der Fenster war durch die Wucht der Wogen und den
Tiefendruck zu Bruch gegangen. Sie sahen den
Maschinentelegrafen, dessen Anzeiger nach wie vor auf FULL
AHEAD stand, volle Kraft voraus. Hier tummelten sich jetzt nur
noch ein paar Fische. Die Besatzung war von den tobenden
Fluten davongerissen worden, als das Schiff unterging. Langsam
glitt der MiniRover über das Promenadendeck hinweg. Die
Davits, in denen einst die Rettungsboote gehangen hatten, waren
leer und teilweise herausgerissen - ein grausiger Hinweis auf das
Chaos und die Panik, die in jener Sturmnacht des Jahres 1948
geherrscht haben mußten. Auf jedem freien Quadratmeter des
Oberdecks waren hölzerne Kisten festgezurrt. Sie waren noch
intakt. Der Schornstein, der einst hinter der Brücke aufgeragt
hatte, fehlte - er war offenbar abgebrochen, als sich das Schiff in
den weichen Grund gebohrt hatte, denn man konnte ihn neben
dem Rumpf im Schlick liegen sehen.
»Ich würde sonst was dafür geben, wenn ich einen Blick in
diese Packkisten werfen könnte«, sagte Julia.
»Vielleicht finden wir eine, die aufgebrochen ist«, sagte Pitt,
ohne den Blick vom Monitor zu wenden.
Hinter den Aufbauten war der Rumpf auseinandergebrochen
und aufgerissen. Man sah die schartig ausgezackten und
verformten Stahlplatten, die unter dem Ansturm der gewaltigen
Wellen geborsten waren, konnte erkennen, daß das gesamte
Heck beim Untergang des Schiffes völlig weggekrochen war. Es
sah aus, als habe ein Riese das Schiff mit bloßer Hand
zerquetscht und die kaputten Überreste achtlos beiseite
geworfen.
»Das Trümmerfeld zwischen den beiden Wrackteilen scheint
voller Souvenirs von dem Schiff zu sein«, stellte Giordino fest.
»Das kann nicht sein«, sagte Pitt. »Alles, was man nicht
unbedingt brauchte, wurde ausgeräumt, bevor sie zum
Abwracken fuhr. Auch auf die Gefahr hin, daß ich wie ein
heilloser Optimist klinge - aber ich wette, wir haben es hier mit
einem Feld voller sagenhafter Kunstschätze zu tun.«
Als der MiniRover näher kam, sahen sie, daß der ganze
Seegrund mit Holzkisten übersät war, die offenbar beim
Untergang aus dem geborstenen Rumpf gefallen waren. Pitts
Voraussage wurde bestätigt, als der Tauchrobotor über das
Trümmerfeld hinwegfuhr und plötzlich einen eigenartigen
Umriß erfaßte, der sich im trüben Wasser abzeichnete. Wir
gebannt starrten sie alle auf den Monitor. Langsam wurde das
Bild schärfer, und dann, mit einemmal, ragte unmittelbar unter
der Kamera ein Kunstwerk aus uralter Zeit auf. Einsam und
unheimlich stand es inmitten der zertrümmerten Kiste, deren
Wände aufgebrochen waren wie eine Rosenknospe.
»Was ist das?« fragte Wilbanks.
»Eine Reiterstatue aus Bronze«, murmelte Pitt ehrfürchtig.
»Ich bin kein Fachmann, aber meiner Meinung nach handelt es
sich um das Standbild eines alten chinesischen Kaisers aus der
Han-Dynastie.«
»Wie alt schätzen Sie das?« fragte Hall.
»Fast zweitausend Jahre.«
Der Anblick dieses stolz auf seinem Rosse sitzenden Reiters
war so eindrucksvoll, daß sie zwei Minuten lang ergriffen auf
den Bildschirm schauten, ohne ein Wort zu sagen. Julia kam
sich vor, wie in ein anderes Zeitalter versetzt. Das Pferd hatte
die Nüstern gebläht und den Kopf leicht zur Seite gedreht, so als
wollte es sich nach dem MiniRover umsehen. Der Reiter saß
aufrecht im Sattel und starrte mit blicklosen Augen ins Nichts.
»Die Kunstschätze«, flüsterte Julia. »Sie liegen hier überall
herum.«
»Steuern sie zum Heck«, sagte Pitt zu Hall, »Ich hab' das
Kabel jetzt auf maximale Lange ausgefahren«, erwiderte Hall.
»Ralph muß das Boot näher ranbringen.«
Wilbanks nickte, stellte per Computer Richtung und
Entfernung fest, steuerte die neue Position an und zog den
MiniRover mit, bis er genau über dem abgebrochenen Heck
schwebte. Danach lotste Hall den Tauchroboter an den
Schiffsschrauben vorbei, deren obere Blätter aus dem Schlick
ragten. Deutlich waren die quer über das Heck gemalten Lettern
zu erkennen, die den Heimathafen des Schiffes angaben:
Schanghai. Die Bruchstelle sah genauso aus wie beim Vorschiff
- verbogene und zerfetzte Rumpfplatten, losgerissene
Maschinen, rundum verstreute Kunstschätze.
Die Mitternachtsstunde kam und ging, doch sie machten
weiter, beflügelt von dem Gefühl, daß sie seit zweiundfünfzig
Jahren die ersten Menschen waren, die die Princess Dou Wan zu
Gesicht

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