Höllenflut
Tauchboote gesteuert. Jeder wußte, was er zu tun
hatte, ohne daß man sich absprechen mußte. Pitt war in diesem
Fall der Pilot, während Giordino die Instrumente im Auge
behielt und die Videokamera und den Greifarm bediente.
Pitt schob den Gasregler langsam nach vorn, lotste das Boot
mit Hilfe der beiden Steuerknüppel unter dem riesigen Ruder
hindurch und umkurvte die beiden Steuerbordschrauben mit
ihren drei elegant geschwungenen Bronzeblättern, die im
Zwielicht wie übergroße Ventilatoren wirkten. Lautlos wie ein
Flugzeug am nächtlichen Himmel glitt die Sea. Dog II durch das
trübe Wasser, das mit zunehmendem Tageslicht immer grüner
wurde.
Wie durch einen Nebelschleier zeichnete sich der Grund ab.
Abfälle, die im Laufe der Jahre vom Kai und den vor Anker
liegenden Schiffen geworfen worden waren, lagen im Schlick.
Pitt und Giordino glitten über eine verrostete Gräting dahin, in
der ein kleiner Schwärm Tintenfische hauste, die sich ab und an
zwischen den Gitterstäben herauswagten und sofort wieder
zurückzogen. Pitt vermutete, daß Hafenarbeiter den Gitterrost
vor einiger Zeit einfach ins Wasser geworfen hatten. Er stoppte
die Strahldüsen und ließ das Tauchboot auf den weichen Grund
unter dem Heck des Dampfers sinken. Eine Schlickwolke stieg
auf, legte sich wie brauner Dunst über die Bugkanzel und nahm
ihnen vorübergehend jede Sicht.
Über ihnen zeichnete sich düster und bedrohlich der riesige
Rumpf der United States ab, der wie ein schwerer schwarzer
Vorhang im trüben Wasser hing. Sie kamen sich hier unten
ziemlich einsam und verlassen vor. Wie abgeschnitten von der
Außenwelt.
»Ich glaube, wir sollten uns ein paar Minuten Zeit nehmen
und uns die Sache gründlich überlegen«, sagte Pitt.
»Frag mich nicht, warum«, sagte Giordino, »aber mir ist
gerade ein blöder Witz aus meiner Kindheit eingefallen.«
»Was für ein Witz?«
»Der mit dem Goldfisch, der rot wird, als er die Queen Mary von unten sieht.«
Pitt zog eine säuerliche Miene. »Ziemlich dumpf, wie man's
von einem Dumpfbeutel gewohnt ist. Für den Kalauer solltest du
im Fegefeuer schmoren.«
Giordino tat, als hätte er ihn nicht gehört. »Nicht, daß ich
unbedingt das Thema wechseln möchte» aber ich frage mich, ob
die Pfeifen da oben nicht Schallsensoren am Rumpf angebracht
haben.«
»Keine Ahnung. Solange wir keinen rammen, werden wir's
wohl nicht erfahren.«
»Es ist immer noch ziemlich dunkel. Man kann kaum was
erkennen.«
»Ich bin der Meinung, wir sollten die Strahler einschalten, sie
soweit wie möglich runterfahren und dann den Kiel untersuchen.
Daß uns unter dem Kiel jemand entdeckt, ist mehr als
unwahrscheinlich.«
»Und wenn die Sonne höher steht, können wir uns allmählich
nach oben vorarbeiten.«
Pitt nickte. »Nicht gerade brillant. Aber was Schlaueres fällt
mir unter den gegebenen Umständen nicht ein. «
»Dann sollten wir uns lieber ranhalten«, sagte Giordino.
»Sonst brauchen wir noch unseren Sauerstoff auf.«
Pitt betätigte den Antrieb, worauf das Tauchboot langsam
aufstieg, bis es sich nur mehr gut einen Meter unter dem Kiel
des Ozeanliners befand. Er konzentrierte sich darauf, die Sea
Dog II auf gleicher Tiefe zu halten, warf alle paar Sekunden
einen Blick auf den Positionsmonitor und achtete darauf, daß er
auf geradem Kurs blieb, während Giordino nach oben spähte,
den Rumpf auf Unebenheiten absuchte, die auf nachträglich
eingebaute Ein- oder Ausstiegsluken hindeuten könnten, und
jede verdächtige Stelle mit der Videokamera aufnahm. Nach ein
paar Minuten stellte Pitt fest, daß er besser zurechtkam, wenn er
den Monitor nicht beachtete und sich einfach an den
Schweißnähten orientierte.
Mit zunehmendem Sonnenlicht wurde die Sicht immer besser.
Pitt schaltete die Scheinwerfer aus. Jetzt konnte er erkennen, daß
die Stahlplatten, die kurz zuvor noch tiefschwarz gewirkt hatten,
mit dunkelroter Rostschutzfarbe gestrichen waren. Pitt spürte
den leichten Sog des Ebbstroms, doch er hielt das Tauchboot
weiter auf Kurs. Zwei Stunden lang fuhren sie schweigend auf
und ab, ganz auf ihre Aufgabe konzentriert.
Plötzlich ertönte Cabrillos Stimme. »Können die Herren
schon einen Zwischenbericht erstatten?«
»Bislang gibt's nichts zu berichten«, antwortete Pitt. »Mit dem
Kiel sind wir gleich fertig. Dann sind die Seiten dran, bis rauf
zur Wasserlinie.«
»Hoffentlich erfüllt der neue Anstrich seinen Zweck.«
»Max Hanley und seine Männer haben einen etwas dunkleren
Ton
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