Höllenherz / Roman
Hunderter an. »Woher hast du das?«
»Aus dem Wahlbüro. Sie bewahren die Spenden im Safe auf.«
Im ersten Moment war Lor sprachlos. Natürlich! Die Gemeindewahl. Das Büro des Vampirkandidaten war in zwei Räumen im östlichen Klinikflügel untergebracht. Lor war so mit dem Verlust der Ambulanz beschäftigt gewesen, dass er es vorübergehend vergessen hatte.
Wie konnte er? Die Wahl stellte alle Geschehnisse der heutigen Nacht in ein völlig neues Licht – haufenweise politische Ängste –, doch darüber würde er nachdenken, nachdem er sich um Helver gekümmert hatte.
Die anderen Hunde erreichten sie. Lor hob eine Hand, um sie zurückzuhalten. Sie blieben stehen, verschränkten die Arme und sahen die beiden interessiert an.
Lor setzte sein Wütender-Alpha-Gesicht auf, was ihm nicht schwerfiel. »Wie kannst du es wagen, etwas zu nehmen, was dir nicht gehört? Willst du dir dein ganzes Leben ruinieren? Schande über das Rudel bringen?«
Helver nahm die Hände von seinem Gesicht; er sah beschämt und verängstigt aus. Seine Züge waren noch kindlich weich, nicht kantig und hart wie bei einem erwachsenen Höllenhund. Lors Magen krampfte sich vor Zorn und Sorge zusammen. Helver war kein böser Welpe, nur leider nicht der hellste, und diese neue Welt, in der sie lebten, quoll vor Verlockungen über. Die Hölle, aus der sie kamen, war grausam, aber sehr viel einfacher gewesen.
Lor würde einen Teufel tun, mit anzusehen, wie einer aus seinem Rudel auf die schiefe Bahn geriet.
Er zerrte den Jungen auf die Beine und schüttelte ihn heftig. Helver hob nicht einmal den Kopf, denn Lor war sein König. Sich gegen ihn zu wehren, würde einen Kampf bis in den Tod bedeuten, und sie beide wussten, dass Lor ihn gewinnen würde.
Das Schütteln tat nicht weh. Die richtige Disziplinierung käme später, ebenso wie eine Menge Fragen. Zum Beispiel, wer ihn zu dem Diebstahl angestiftet hatte. Doch zunächst musste Lor sich auf anderes konzentrieren.
»Wer hat das Feuer gelegt?«, erkundigte er sich streng.
Helver senkte den Kopf und atmete hastig. Wäre er in Hundegestalt gewesen, hätte er den Schwanz eingekniffen. »Ich hab keinen gesehen. Ich hab bloß gefühlt, dass das
böse
war. Und dann war es ganz heiß. Das war echt komisch, denn zuerst war da überhaupt nichts, bloß Hitze, und dann auf einmal überall Flammen. Ich hab den Feuerlöscher genommen, aber dann explodierten überall Sachen – Sauerstoff und ich weiß nicht was noch –, und es hat gestunken. Wegen dem ganzen chemischen Kram hab ich keine Luft gekriegt, und es war viel zu heiß, deshalb bin ich weg.«
Ein Raunen ging durch die Hunde, das gleichermaßen wütend wie besorgt klang.
»Sonst war niemand drin?«
»Nee, jedenfalls keiner, den ich hören oder riechen konnte. Ich hab mich hinter dem Haus versteckt, bis …«
»Bis was?«
»Bis ich dachte, ich kann ungesehen verschwinden. Da waren die ganzen Wagen und so.«
»Du kannst von Glück reden, dass ich es war, der dich erwischt hat!« Lor hörte Laufschritte nahen. Die Menschen holten sie ein. Er schob Helver weg, so dass der Junge ein Stück weit stolperte, ehe er sich wieder abfing. »Geh nach Hause, und bleib da! Verbrenn deine Sachen; die stinken. Ich kümmer mich später um dich.«
Helver verneigte sich, die Hände in einer Geste der Unterwürfigkeit vor dem Gesicht.
»Lauf!«, knurrte Lor und winkte den anderen Hunden zu. »Bringt ihn heim!«
Sie gehorchten, scharten sich um Helver und entfernten sich mit langen fließenden Bewegungen. Derweil stopfte Lor sich das Spendengeld in die Tasche und überlegte, wie in aller Welt er es den Vampiren zurückgeben sollte, ohne den dritten Weltkrieg auszulösen. Sie waren nicht unbedingt die Typen, die einen jugendlichen Streich mit einem Lachen abtaten.
Er wandte sich zu den Menschen um, die auf ihn zugelaufen kamen.
Ganz vorn rannte einer von jenen Cops, denen man ihren Beruf sofort ansah: groß, gemeißelte Gesichtszüge, dunkles Haar, irgendetwas zwischen dreißig und fünfzig. Lor kannte ihn. Es handelte sich um einen der wenigen menschlichen Detectives in der Abteilung für Übernatürliches.
»Detective Baines!« Lor stellte sich ihm in den Weg. Gleichzeitig zog er seine Jacke zu und schloss den Reißverschluss, um die Waffen zu verbergen, die er bei sich trug. Alle Höllenhundkrieger waren stets bis an die Zähne bewaffnet, und das fasste die menschliche Polizei bisweilen falsch auf.
»Wer war der Junge?«, wollte Baines wissen, der
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