Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
schräg und äußerst nachlässig auf ihrem Kopf saß. «Wollt Ihr Frankfurter Mark oder Gulden?» Sie sprach weiter, ohne die Antwort abzuwarten. «Die Frankfurter Mark besteht aus einem Albus oder Weißpfennig. Der Frankfurter Gulden hat siebenundzwanzig Albus oder Weißpfennige. Ein Albus hat acht Pfennige, was dem sarazenischen Denar entspricht. Zugleich gibt es aber auch den Schilling, der neun Pfennige wert ist. Ein Gulden macht gleichsam vierundzwanzig Schillinge.»
    Der fremde Herr zog die Stirn kraus und kratzte sich am Kinn. Dann knurrte er: «Ihr macht mich ganz närrisch mit Eurem Geschwätz, Geldwechslerin. Ich habe zehn Florin und möchte dafür Frankfurter Geld, Herrgott. Wollte ich etwas über Schillinge und Weißpfennige und Denare wissen, so wäre ich Geldwechsler geworden wie Ihr.»
    Jutta zwinkerte Hella zu. Dann sah sie den Mann beflissen an. «Sogleich, Herr», und holte ihre Rechenmaschine hervor. Mit flinken Händen schob sie die Kugeln hin und her, sodass sie auf ihren Metallstangen klackten. Geradewollte sie dem Mann einen Kurs für seine Goldflorin nennen, da verabschiedete sich Hella.
    «Denk nicht mehr an das, was ich gesagt habe», rief Jutta ihr hinterher. «Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich täusche.»
    Hella nickte, aber getröstet war sie nicht. Sie ahnte, dass Jutta recht haben könnte, aber sie wollte um keinen Preis darüber nachdenken. Hella überkam das Bedürfnis, ihrem Heinz eine Freude zu machen. Sie wollte das so unbedingt, dass kein anderer Gedanke mehr Platz hatte in ihr. Ohne lange zu überlegen, drehte sie um und ging zurück zu Jutta Hinterer. Sie musste sie fragen, wo es hier auf dem Markt den besten Wein gab. Einen ganz besonderen Wein, der so gut schmeckte, dass Heinz den Wein in der Ratsschänke vergaß. Zwar hätte Pater Nau ihr in dieser Hinsicht bestimmt mindestens ebenso gut Auskunft geben können, doch der Pater war in der Kirche oder im Pfarrhaus und Jutta Geldwechslerin hier auf dem Markt.
    Als sie an den Stand kam, war der fremde Kaufherr bereits fort. Auf Juttas Gesicht saß ein sattes Lächeln.
    «Ihr habt also ein gutes Geschäft gemacht, wie ich sehe», stellte Hella fest.
    «Natürlich, das ist mein Beruf. Meine Mutter, die in Geschäftsdingen sehr viel tüchtiger war als mein Vater, sagte jeden Morgen: ‹Auch heute steht wieder jemand auf, der sein Geld auf die Straße wirft. Gib, lieber Gott, dass ich daneben stehe, wenn es geschieht.›»
    Sie lachte. Dann fragte sie: «Hast du etwas vergessen?»
    Hella nickte und wollte gerade den Mund öffnen, als die Trompete vom Balkon des Römers erschallte. Der Stadtpfeifer gab den Bütteln das Zeichen, mit den neuesten Nachrichten aufzubrechen.
    «Was ist denn?», fragte Hella.
    «Keine Ahnung, wir werden es gleich erfahren.»
    Eilig verließ Jutta ihre Stube, schloss ab und hastete mit Hella zum Brunnen auf dem Römerberg. Dort stand schon ein Büttel und gab die neuesten Nachrichten bekannt: «…   zeigt Euch der Rat der Stadt an, dass hinter dem Roten Hof ein Bein gefunden wurde. Ein jeder Mann und ein jedes Weib möge Obacht walten lassen und den Stadtherren berichten, wenn ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt.»
    Die Menge stand stumm und glotzte. Als der Büttel sein Pergament zusammenrollte und mit einem Lederband verschnürte, kam langsam Leben in die Umstehenden. «Sind wieder Bissspuren daran?», rief einer.
    Der Büttel zog die Stirn kraus. «Das weiß ich nicht», erwiderte er. «Hier im Pergament steht nichts davon.»
    «Ist das Bein abgehackt oder abgerissen?», wollte ein andere wissen.
    «Herrgott, Leute, das weiß ich auch nicht. Ich bin nur der, der die Angelegenheit verkündet», sprach der Stadtknecht und sah zu, dass er weiterkam.
    Ein Bauarbeiter, der eine Kiepe mit Ziegeln auf den Schultern trug, ließ seine Last zu Boden gleiten, wischte sich den Schweiß von der Stirn und erzählte: «Ei, ich kumm gradewechs vom Rode Hoff. Ich han es Bein gesehe. Noch vor dem Rischter und dem sei Henker. Aagebisse wor es. Ich han es gaanz gnau gesehe, mit meine eichene zwei Auche. E Biss hier und e Biss do. Wie von an Bär. Oder so. Kann aach sei, dass es der Teuwel selbst war. Oder sonst e Menschefresser.»
    «Ein Kannibale!» Das Wort machte die Runde, wurde geflüstert, gewispert, getuschelt, als fürchteten sich die Menschen davor, es laut auszusprechen.
    Ein kleines Mädchen, das an einem Kringel gelutscht hatte, zog seine Mutter am Arm und fragte ganz laut: «Was ist ein

Weitere Kostenlose Bücher