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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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konnte.
    Damit blieb nur noch das Fenster. Ob sie an dem groben Mauerwerk zu ihm hochklettern konnte? Scarlett versuchte es, aber ihre Fingerspitzen fanden nicht genügend Halt. Außerdem standen die Gitterstäbe so eng zusammen, dass sie sich nicht hätte hindurchquetschen können, selbst wenn auf der anderen Seite ein Ausweg gewesen wäre. Nein. Sie steckte in einem massiven Kasten ohne Falltüren, ohne Geheimgänge, ohne magischen Weg nach draußen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis jemand kam.
    Sie ließ sich in einer Ecke nieder und rollte sich zu einer Kugel zusammen, um nicht auch noch die letzte Körperwärme zu verlieren. Das Komische war, dass sie eigentlich Todesangst hätte haben müssen. Sie war vollkommen hilflos, eine Gefangene. Dieser Ort war böse, das wusste sie instinktiv. Aber sie konnte immer noch nicht fassen, dass dies alles tatsächlich passierte, und das machte es irgendwie schwer, Angst zu haben. Es war eher wie ein schlechter Traum. Wenn sie erst herausgefunden hatte, wie sie hierhergekommen war, konnte sie sich vielleicht auch Gedanken darüber machen, was als Nächstes passieren würde.
    Eine Stunde verging, vielleicht auch zwei. Dann endlich hörte sie das Geräusch eines Schlüssels im Schloss. Die Tür ging auf und zwei Mönche betraten die Zelle. Scarlett hätte nicht sagen können, ob es dieselben waren, die sie gefangen genommen hatten, denn sie hatten alle dieselben Kutten an. Die Mönche hatten die Kapuzen über dem Kopf und waren abgemagert wie Skelette. Hätte man sie vor eine Wand gestellt, hätten sie sich kaum davon abgehoben.
    Einer von ihnen bellte ein Kommando in der merkwürdigen, groben Sprache, die sie schon gehört hatte. Als er sah, dass sie ihn nicht verstand, bedeutete er ihr mit einer ungeduldigen Handbewegung, dass sie aufstehen sollte. Scarlett gehorchte. Sie verzog keine Miene, aber ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wenn die beiden sie mit nach draußen nahmen, konnte sie sich vielleicht losreißen. Dann würde sie durch den Gang zurückrennen und den nächsten Ausgang finden. In welchem Land sie auch sein mochte, es gab hier doch bestimmt Polizisten oder sonst jemanden, der ihr helfen konnte. Sie würde sich irgendwie verständlich machen und zusehen, dass sie wieder nach Hause kam.
    Aber im Moment bewachten die Mönche sie zu gut. Sie führten sie nach draußen, wobei einer die ganze Zeit über direkt neben ihr war und der andere hinter ihr, so dicht, dass sie sie sogar riechen konnte. Die beiden hatten sich schon sehr lange Zeit nicht mehr gewaschen. Als sie den Gang erreichten, zögerte Scarlett, doch die beiden stießen sie sofort grob vorwärts. Sie bogen nach links ab.
    Wo war sie? Es sah aus wie eine alte Burg oder ein Kloster, aber eines war sicher: Es war schon vor langer Zeit verlassen worden. Alles war heruntergekommen und vernachlässigt, von den zerbröckelnden Mauern bis zum unebenen und rissigen Steinfußboden, in dessen Spalten irgendeine Art von Schimmel wucherte. Nackte Glühbirnen hingen an Drähten von der Decke (es gab also Strom), aber sie leuchteten nur matt und flackerten. Sie waren kaum hell genug, um ihren Weg zu beleuchten. Die Luft war feucht und es roch entfernt nach Klärgrube.
    Scarlett bemerkte ein Ölgemälde in einem goldenen Rahmen. Es zeigte eine Kreuzigungsszene, aber die Farben waren verblasst und die Leinwand zerrissen. Darunter stand ein antikes Schränkchen mit einem eisernen Kerzenhalter darauf. Eine Tür stand offen und auf dem Boden lagen Papiere verstreut. Als sie an eine Ecke kamen, konnte Scarlett zum ersten Mal einen Blick nach draußen erhaschen. Eine Reihe steinerner Bogen führte auf eine Terrasse und in den dahinter liegenden Garten. Scarlett blieb abrupt stehen. Ihre schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Jetzt wusste sie genau, dass sie nicht mehr in England war.
    Der Garten war schneebedeckt. Die Bäume hatten keine Blätter und auf ihren Ästen lag Schnee. Die Landschaft war komplett weiß. Es waren keine anderen Gebäude zu sehen und nirgendwo ein Licht. Das Kloster musste in irgendeiner Einöde stehen – aber wie war sie hierhergekommen? Hatte man sie betäubt und in ein Flugzeug gesetzt? Scarlett durchforstete ihr Gehirn, aber da war nichts – nichts, was auf eine Reise hindeutete, keine Erinnerung daran, dass sie England verlassen hatte und irgendwo anders angekommen war. Dann versetzte ihr einer der Mönche einen Stoß in den Rücken, der sie zum Weitergehen

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