Hoellenpforte
sagte sie. »Was hat das mit mir zu tun?«
»Es hat alles mit dir zu tun, und wenn du mich noch einmal unterbrichst, lasse ich dich auspeitschen, bis dir die Haut in Fetzen vom Rücken hängt.«
Pater Gregory wartete auf eine Reaktion. Scarlett war total geschockt, wollte es sich aber nicht anmerken lassen. Also sagte sie nichts.
»Ich besuchte ein Priesterseminar in England«, fuhr er fort, »und wurde Mitglied dieses Ordens. Ich verbrachte sechs Jahre dort, weitere drei in der Toskana und kam dann schließlich hierher. Das war vor dreißig Jahren. Als ich ankam, war das hier ein sehr schöner und friedvoller Ort, eine Zuflucht vor dem Rest der Welt. Das Wetter war rau und die Tage im Winter kurz. Aber die Lebensweise sagte mir zu. Sechsmal am Tag beten, einfache Mahlzeiten und Schweigen beim Essen. Wir haben unsere Nahrung selbst angebaut. Ich habe viele Hundert Stunden damit verbracht, in der unfruchtbaren Erde rund um das Kloster herumzuhacken. Wenn ich nicht auf den Feldern gearbeitet habe, war ich in den Dörfern der Umgebung und habe den Armen und Kranken geholfen.
Ein heiliges Leben, Scarlett. Und so hätte es bleiben können. Aber dann hat sich alles geändert. Und das nur wegen einer Tür in der Wand.«
Pater Gregory hatte seinen Tee nicht angerührt, aber jetzt griff er plötzlich mit Daumen und Zeigefinger nach seinem Glas und stürzte die heiße Flüssigkeit in einem Zug hinunter. Scarlett sah, wie sein Hals beim Schlucken anschwoll. Es war, als sähe man einem Kranken dabei zu, wie er seine Medizin nahm.
»Ich war von Anfang an fasziniert davon. Eine Tür, die zu einem anderen Gebäude zu gehören scheint und auf der sich ein Symbol – ein fünfzackiger Stern – befindet, der nichts mit dem Kloster zu tun hat. Eine Tür, die nirgendwo hinführt.« Er hob die Hand, damit sie ihn nicht unterbrach. »Sie führte nirgendwo hin, Kind. Glaube mir. Auf der anderen Seite war ein kurzer Korridor und ansonsten nur glatte Mauern.
Zu jener Zeit wurde das Kloster von einem Abt geleitet, der viel älter war als ich. Sein Name war Pater Janek. Als wir eines Tages zusammen im Kreuzgang waren, fragte ich ihn danach.
Er wollte es mir nicht sagen. Eine einfache Lüge hätte meine Neugier besänftigt, aber Pater Janek war ein zu guter Mensch, um zu lügen. Stattdessen sagte er mir, ich sollte keine weiteren Fragen stellen. Dann beschleunigte er seinen Schritt, und als er fortging, erkannte ich, dass er Angst hatte.
Von diesem Tag an war ich von der Tür besessen. Wir hatten hier eine umfassende Bibliothek, Scarlett, mit mehr als zehntausend Büchern – von denen die meisten inzwischen wohl verrottet sind. Einige davon waren Jahrhunderte alt. Ich habe sie alle durchgesehen. Es hat mich viele Jahre gekostet. Allmählich – ein Satz hier, eine Textstelle dort – tauchte eine Geschichte auf. Aber am Ende war es ein Buch, die geheime Kopie des Tagebuchs eines spanischen Mönchs von 1532, das mir alles verriet, was ich wissen wollte.«
Er verstummte und musterte das Mädchen, als wäre es das Wertvollste, das er je gesehen hatte. Scarlett war angewidert und versuchte nicht, es zu verbergen. Die Augen unter den weißen Brauen verschlangen sie förmlich. Sie konnte die Spucke auf den Lippen des Mönches sehen.
»Die Alten«, flüsterte er, und obwohl Scarlett diese Worte nie zuvor gehört hatte, bedeuteten sie etwas für sie, eine Erinnerung aus ferner Vergangenheit. »Das Tagebuch hat mir von der großen Schlacht berichtet, die vor zehntausend Jahren stattfand, als die Alten die Welt regierten und die Menschen ihre Sklaven waren. Das pure Böse. Die Bibel erzählt von Teufeln… von Luzifer und Satan. Aber das sind nur erfundene Geschichten. Die Alten sind real. Sie waren hier. Und Chaos, ihr Herrscher, hatte mehr Macht als alles andere im Universum.«
»Und was ist aus ihnen geworden?«, fragte Scarlett. Auch sie flüsterte, ohne es zu wollen. Abgesehen von den knisternden Flammen im Kamin war es totenstill im Raum.
»Sie wurden besiegt und vertrieben. Da waren fünf Kinder…« Er sprach das Wort verächtlich aus. »Sie wurden als die Torhüter bekannt. Vier Jungen und ein Mädchen.« Er sah Scarlett immer noch an und irgendwie wusste sie, was jetzt kommen würde. »Du bist das Mädchen.«
Scarlett schüttelte den Kopf. »Sie müssen sich irren. Das ist doch verrückt. Ich bin gar nichts. Ich bin nur ein Schulmädchen. Ich gehe in London zur Schule – «
»Was glaubst du, wie du hergekommen bist?« Der
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