Höllenschlund
Austin führte sie zum Studio.
Die Sanitäterin blickte sich in dem Chaos um. »Was ist denn hier passiert?«
Carina wandte sich von ihrem Schützling ab. »Man hat ihn überfallen und sein Studio geplündert.«
Während die Sanitäterin Benson untersuchte, rief ihr Kollege die Polizei an. Nachdem sie Bensons Zustand überprüft und ihm eine Kompresse angelegt hatten, dirigierten sie den Fotografen auf eine Trage, mit der sie ihn zum Krankenwagen brachten. Sie sagten, Bensons Verletzung würde einige Zeit brauchen, um zu verheilen, aber angesichts seiner offenbar ausgezeichneten körperlichen Verfassung wäre nicht mit Komplikationen zu rechnen.
Austin erklärte den Sanitätern, dass er und Carina auf die Polizei warten würden, um eine Aussage zu machen. Sobald der Krankenwagen losgefahren war, gingen sie zur Scheune.
Im dritten Stall schoben sie das Heu besehe, und darunter kam tatsächlich eine Falltür aus Metall zum Vorschein. Austin schloss sie auf und öffnete sie. Eine kurze Treppe führte in einen klimatisierten Raum hinunter, der etwa die Größe eines begehbaren Wandschranks hatte. An den Wänden reihten sich Schubladen über- und nebeneinander, auf denen Jahreszahlen notiert waren. Austin fand die CD mit der Aufschrift
Hethitische Ausgrabung, 1972, Syrien
.
Er steckte die CD ein. Dann kehrte er mit Carina zum Haus zurück. Wenige Minuten später rollte ein Streifenwagen über die Auffahrt. Der schlaksige uniformierte Mann, der auf der Fahrerseite ausstieg, schien einer alten Fernsehserie zu entstammen. Er näherte sich mit gemächlichen Schritten und stellte sich als Chief Becker vor. Er fragte nach ihren Namen und kritzelte sie in ein Notizbuch.
»Die Sanitäter sagten, Mr. Benson wäre überfallen worden.«
»Das hat er auch uns gesagt«, bestätigte Carina. »Er kam von einem Spaziergang zurück und fand in seinem Haus vier Männer vor. Er versuchte sie daran zu hindern, seine Fotos zu stehlen, und wurde mit dem Lauf einer Pistole bewusstlos geschlagen.«
Der Polizist schüttelte den Kopf. »Ich wusste, dass er ein bedeutender Fotograf für das
Geographic
ist, aber ich hätte nie gedacht, dass die Fotos in Wirklichkeit auch nur einen Cent wert sein könnten.« Er hielt kurz inne und überlegte, wie die exotische Frau und ihr muskulöser Begleiter hier ins Bild passten.
»Verraten Sie mir, was Sie beide mit Benson zu tun haben?«
»Ich arbeite für die NUMA«, sagte Austin. »Miss Mechadi spürt im Auftrag der UNO gestohlene Antiquitäten auf. Vor einigen Jahren hat Mr. Benson Fotos von einem vermissten Artefakt gemacht, und wir dachten, er könnte uns bei der Suche danach helfen.«
»Glauben Sie, dass das in irgendeinem Zusammenhang mit dem Überfall auf ihn steht?«
Der Polizist war cleverer, als er auf den ersten Blick zu sein schien. Er beobachtete sehr genau, wie sie reagierten.
Austin beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen. »Ich weiß es nicht.«
Chief Becker schien sich mit dieser Erklärung zufriedenzugeben. »Würden Sie mir jetzt zeigen, wo Sie Mr. Benson gefunden haben?«
Austin und Carina führten ihn ins Haus. Der Polizist stieß einen leisen Pfiff aus, als er das Durcheinander in dem Studio sah.
»Haben Sie irgendetwas berührt?«, fragte er.
»Nein«, sagte Austin. »Hätte das den allgemeinen Eindruck verändert?«
Der Polizist lachte kurz. »Ich werde die Leute von der Spurensicherung herbeordern.« Dann nahm er ihre Personalien auf und sagte, dass man sie später vielleicht anrufen würde, um ihnen weitere Fragen zu stellen.
Als Austin mit dem Wagen auf die Straße einbog, bemerkte Carina: »Du hast dem Polizisten nicht ganz die Wahrheit gesagt.«
»Es hätte die Sache nur verkompliziert, wenn ich ihm von einem Piratenüberfall auf ein Schiff und vom Diebstahl einer Statue erzählt hätte. Und von der Tatsache, dass der
Navigator
bei eigentlich allem der gemeinsame Nenner ist.«
Carina sackte auf dem Beifahrersitz in sich zusammen und schloss die Augen. »Irgendwie fühle ich mich für das alles verantwortlich.«
»Quäl dich nicht mit Selbstvorwürfen. Die einzigen Leute, die ein schlechtes Gewissen haben sollten, sind diese Schlägertypen. Wer außer uns weiß noch von den Benson-Fotos?«
»Ich habe nur dir und Mr. Baltazar davon erzählt. Du glaubst doch nicht, dass …?«
»Ein weiterer gemeinsamer Nenner.«
Carina versank noch tiefer im Sitz und starrte ins Leere.
Nachdem sie ein paar Minuten lang vor sich hingegrübelt hatte, schien sie sich wieder
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