Höllenschlund
Telefonat, als Austin zu ihm kam und sagte: »Hat sie Ihnen vom Lieferwagen und einer verschwundenen Statue erzählt?«
»Ja. Aber ich dachte, dass sie irgendwas zusammenfantasiert. Habe mich gerade bei der Wache erkundigt. Ein Lieferwagen, der zu ihrer Beschreibung passt, ist vom Highway abgekommen und ausgebrannt. Man hat vier Leichen gefunden, die bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sind.«
»Irgendein Hinweis auf eine Bronzestatue?«
»Nein. Das Feuer war ziemlich heiß. Vielleicht ist die Statue darin geschmolzen.«
Austin dankte Colby und ging zurück, um Carina über die neuen Entwicklungen zu informieren. Nur die Leichen im ausgebrannten Lieferwagen erwähnte er nicht. Sie blickte auf die Uhr an der Wand. »Ich muss mich auf den Weg machen.
Sonst verpasse ich meine Verabredung mit Jon Benson, dem Fotografen vom
National Geographic
, von dem ich dir erzählt habe.«
»Wann ist der Termin?«
»In einer Stunde.« Sie nannte Austin eine Adresse. »Können wir das schaffen?«
»Wenn wir jetzt aufbrechen. Je nachdem, wie du dich fühlst.«
»Mir geht es gut.« Sie stand auf und schaffte es, ein paar Schritte zu gehen, bevor ihre Knie wieder nachgaben. »Allerdings könnte ich ganz gut eine helfende Hand brauchen.«
Sie hakte sich bei ihm unter und schlurfte durch den Korridor. Colby hatte im Schwesternzimmer eine Nachricht hinterlassen, dass sie ihn anrufen sollten, sobald Carina in der Lage wäre, eine Aussage zu machen. Als sie ihre Entlassungspapiere unterschrieben hatte, wirkte sie schon wesentlich stabiler. Die Krankenschwester bestand darauf, dass sie im Rollstuhl zum Ausgang gebracht wurde. Als Carina durch die Tür nach draußen trat, schwankte sie nur noch ganz leicht.
Während der Fahrt nach Virginia versuchte Carina den Fotografen anzurufen. Niemand ging ans Telefon. Sie vermutete, dass Benson unterwegs und zur vereinbarten Zeit wieder zu Hause war.
Dank der frischen Landluft, die durchs offene Fenster hereinwehte, erholte sich Carina sehr schnell. Sie rief Baltazar an, um ihm vom Raub der Statue zu berichten. Sie erreichte aber nur einen Anrufbeantworter und hinterließ eine Nachricht.
»Du glaubst doch nicht, dass Saxon etwas damit zu tun hat, oder?«, sagte sie, nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte.
»Saxon scheint mir nicht der Typ zu sein, der solche Aktionen veranstaltet. Vielleicht kann er uns sogar helfen. Wir könnten die Fotos benutzen, die er vom
Navigator
geschossen hat, wenn wir den Diebstahl öffentlich machen.«
Carina kramte in ihrer Handtasche, bis sie die Visitenkarte gefunden hatte, die sie beim Empfang in der irakischen Botschaft von Saxon erhalten hatte. Sie wählte die Nummer, die er auf die Rückseite der Karte geschrieben hatte, und wurde mit dem Willard Hotel verbunden. Der Rezeptionschef sagte, dass Mr. Saxon bereits abgereist sei. Carina gab die Information mit einem selbstzufriedenen Lächeln an Austin weiter.
Zehn Minuten später bog Austin von der Hauptstraße ab und folgte einer langen Schotterauffahrt, bis sie ein niedriges schindelgedecktes Farmhaus erreichten. Sie parkten neben einem verstaubten Pickup und gingen zur Veranda. Niemand reagierte, obwohl sie mehrmals an die Tür klopften. Sie schauten in der Scheune nach und kehrten dann zur Veranda zurück. Austin probierte die Tür. Sie war nicht zugesperrt. Er stieß sie auf. Carina steckte den Kopf hindurch und rief:
»Mr. Benson?«
Ein leises Stöhnen drang aus dem Haus. Austin trat ein und ging einen Flur entlang, bis zu dem gemütlichen Wohnzimmer, wo er sich einen Feuerhaken aus dem Kamin griff.
Langsam gingen sie bis zum Ende des Flurs weiter. Auf dem Boden eines großen Studios lag ein Mann.
Carina kniete sich neben ihn. Die Blutung einer Kopfwunde, die von blau-schwarzer Haut umgeben war, hatte inzwischen aufgehört.
Das Studio sah aus, als hätte sich hier ein Orkan ausgetobt.
Aktenschränke waren aufgerissen. Überall lagen Fotos auf dem Boden. Der Computermonitor war zertrümmert worden. Nur die Titelbilder des
National Geographic
, die an den Wänden hingen, waren unversehrt geblieben. Austin wählte die Notrufnummer und sah sich in den anderen Räumen des Hauses um. Sonst war niemand da.
Als Austin ins Studio zurückkehrte, saß Benson auf dem Boden, den Rücken gegen eine Wand gelehnt. Carina hielt ihm vorsichtig ein Handtuch voller Eiswürfel an den Kopf.
Sie hatte ihm den Speichel von den Lippen gewischt. Seine Augen waren offen, und er schien wieder ganz bei Bewusstsein zu
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