Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Sicherheit war und wieder zu meiner Familie zurückkehren konnte.
»Ihr Männer seid hier die Helden«, sagte ich zu ihnen. »Ihr seid die Titanen.« Davon war ich überzeugt. Was ich getan habe, war nichts im Vergleich zu dem, was die SEALs jeden Tag tun.
Auch sie waren total glücklich. »Unsere Missionen gehen selten so gut aus«, erklärte mir einer der SEALs. »Obwohl wir ständig dafür trainieren, dass die Operationen so ablaufen wie gestern.« Mir wurde klar, dass ich für sie so etwas wie ein Glücksbringer war. Nach dem jahrelangen Training hatten sie endlich einmal ein greifbares Ergebnis mit Happyend erzielt.
Der Anführer des Einsatztrupps, der mich gerettet hatte, kam in meine Kabine und fragte, ob ich gut schlafen könne.
Zuerst zögerte ich, ihm zu erzählen, wie ich mich fühlte. Ich glaube, ich schämte mich ein wenig. In der ersten Nacht nach der Rettung war ich schon gegen 5.00 Uhr aufgewacht und hatte mir schier die Augen ausgeheult. Dabei hatte ich seit meiner Kindheit nicht mehr geweint.
Was denn, seit wann bin ich denn eine Heulsuse?, hatte ich gedacht . Ich habe doch Glück gehabt und die Sache überlebt, und trotzdem heule ich wie ein kleines Mädchen!
Ich hatte mich am Riemen gerissen und eine Dusche genommen. Die Tränen hörten irgendwann auf, bis zum nächsten Morgen, als sich dasselbe wieder abspielte. Jammern und Heulen, mitten aus dem Tiefschlaf heraus.
Der SEAL hörte sich alles an, dann nickte er. »Sie sollten mal mit unserem Psychiater sprechen«, schlug er vor.
»Ich halte nicht viel von Seelenklempnern«, gab ich zurück.
Er lächelte. »Bei uns hier wird das allgemein akzeptiert. Machen wir alle. Sie haben eine extreme emotionale Achterbahn hinter sich. Wenn Sie nicht mit jemandem darüber reden, werden Sie das nicht wieder los.« Er ließ sich nicht davon abbringen, sondern bestand darauf, dass ich mit dem Psychiater sprach.
Und das tat ich dann schließlich auch. Ich rief den SEAL-Psychiater an. Er erklärte mir, dass ich als Geisel in der Schwebe zwischen Leben und Tod gehalten worden war. Wird ein Mensch mit einer solchen Grenzsituation konfrontiert, schüttet der Körper bestimmte Stoffe aus, um die Krise besser durchzustehen. Und diese Hormone rauschten immer noch durch meinen Körper.
»Haben Sie Episoden erlebt, in denen sie einfach nur weinen mussten?«, fragte er.
Verblüfft gab ich zu: »Stimmt genau.«
»Das ist völlig normal«, versicherte er mir. »Das muss jeder durchmachen. Und wie gehen Sie damit um?«
»Ich brülle mich an, mich am Riemen zu reißen und mich nicht wie eine Heulsuse aufzuführen, dann spritze ich mir Wasser ins Gesicht, bis ich mich wieder einkriege.«
»Nächstes Mal tun Sie das alles nicht. Lassen Sie den Tränen einfach freien Lauf.«
Daran hatte ich meine Zweifel. Doch prompt am nächsten Morgen um 5.00 Uhr wachte ich wieder auf und weinte. Ich setzte mich auf die Bettkante, stützte den Kopf in die Hände und weinte weiter. Ich ließ einfach los. Eine halbe Stunde lang strömten mir die Tränen übers Gesicht; ich tat nichts, um sie aufzuhalten oder zu unterdrücken. Wellen von Kummer und Trauer überwältigten mich. Und ich wehrte mich nicht. Es war ein sehr eigenartiges Gefühl.
Die Anfälle kamen nie wieder.
Die folgenden vier Tage verbrachte ich wieder auf der Bainbridge . Noch nie habe ich mich so alt gefühlt. Ich war von jungen Navy-Leuten umgeben, Männern und Frauen, alle zwischen 18 und 24 Jahre alt, und alle waren effizient, energisch und eifrig bei der Sache. Auf dem ganzen Schiff spürte man eine Atmosphäre von Professionalität, Pflichtbewusstsein und Ehrgefühl. Aber eins konnte die Navy nicht verbergen, selbst wenn sie es versucht hätte: Alle waren hundemüde. Ich bin selbst lange Arbeitszeiten gewohnt und kenne die Anzeichen: Kaffeeatem, Tränensäcke, müdes Geplänkel, verlangsamte Reaktionen. Sie waren seit Tagen ununterbrochen auf den Beinen. Ich erfuhr später, dass Captain Frank während der gesamten Tortur selten die Brücke verlassen hatte, und das sah ich ihm auch an. Das nenne ich Einsatzbereitschaft.
Erst als ich an diesem Abend zu Bett ging, fiel mir ein Gemälde auf, das über meinem Bett hing. Es war ein altmodisches Porträt eines Mannes, der wie ein amerikanischer Seemann des 19. Jahrhunderts aussah. Am nächsten Tag erkundigte ich mich beim Kapitän danach, und er sagte: »Ach so, ja, das ist William Bainbridge.«
Ich musste lachen. Der alte Piratenjäger, der selbst einmal in den
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