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Hoerig

Hoerig

Titel: Hoerig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arcan
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Leben an der Leitplanke aushauchten.
    Im Chalet meines Großvaters haben wir eine Woche lang nur gefickt, die Wellen des nahe gelegenen Sees plätscherten leise, und ich weiß noch, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben vor Lust geschrien habe, ohne zu lügen. Ich habe mich auch zum ersten Mal lieber von einem Mann erniedrigen lassen, als ihn zu verführen.
    Und obwohl du der letzte Mann in meinem Leben warst, gab es doch viele erste Male zwischen uns, meinerseits jedenfalls, die Lust, mich beschmutzen und schlagen zu lassen zum Beispiel, wozu, wie ich fand, meine Liebe dich berechtigt, ja verpflichtet hat, und wenn du mich hättest töten wollen in diesen sieben Tagen im Chalet, wäre ich dir auch dabei zur Hand gegangen.
    Die ganzen sieben Tage im Chalet wichen wir einander keine Sekunde von der Seite. Du hast mich nachts geweckt, um mir zu erzählen, daß du von mir geträumt hast, daß du mich im Traum mit einem andern erwischt hast, deine Träume hätten dir die Schlampe in mir gezeigt. Du hast mir erzählt, daß du nur selten träumst und daß du nie länger als zwei Tage am Stück mit einer Frau zusammen warst, womit du mir sagen wolltest, daß das mit mir ein Rekord sei und ich die erste, mit der dir so etwas passierte, und ich freute mich darüber. Die Mücken flogen gegen die Fenster des Chalets, und wir beobachteten gemeinsam, wie sie einen Weg zu finden suchten zu der einsamen Lampe, die den Beginn unserer Liebe beschien.
    Ich frage mich, ob die ins Dunkel ihrer viele Jahre alten Ehen gehüllten Nachbarn wohl die besondere Grausam-keit darin zu erkennen vermochten.
    In dieser Woche im Chalet habe ich dir das wenige gegeben, was meine Freier von mir übrig gelassen hatten, du durftest meinem Blick standhalten, solange du konntest, du durftest mir die Zunge in die Ohren bohren, du durftest mich an den Haaren ziehen, du durftest mir in den Mund spucken, du durftest mich erst in den Arsch, dann in die Fotze ficken, und nach alldem war ich auch oft noch bereit, dich zu lutschen und alles zu schlucken.
    Mit dir erfuhr ich Momente von Taubheit wie Menschen, die den Tod nahen fühlen, was zwischen uns geschah, ging bei weitem über das hinaus, was sonst unter Liebespaaren, die vielleicht Gemeinsamkeiten in bezug auf Lieblingsautoren und politische Ansichten entdecken, üblich ist. Du hast mich in der Autonomie, die mein Leben und Handeln bestimmte, auf den Nullpunkt gebracht, ich wurde gefügig. Ich verlor an Gewicht, ich vernachlässigte mich, so sehr war ich auf die zwischen uns wachsende Liebe ausgerichtet, und wenn ich mich an dich schmiegte, war es mir manchmal, als verließe ich meinen Körper. Du gabst mir einen Daseinsgrund, den mir niemand mehr geben kann, deine Arme waren in dieser Woche meine ganze Welt.

    In dieser Woche bist du mir überallhin gefolgt in dem einzigen Zimmer des gelben Häuschens mit dem Spitz-dach, das zwischen den Bäumen hervorlugt. Wenn du mich irgendwo haben wolltest, im Bett zum Beispiel, hast du mich mit der Faust am Nacken gepackt und mich mit leichtem Druck dahin geführt. Aus Furcht, du könntest lockerlassen, habe ich mich ein bißchen gewehrt, das schmutzige Geschirr erwähnt oder die vorhanglosen Fenster, durch die die ganze Nachbarschaft uns sehen konnte. In Modezeitschriften ist zu lesen, daß Frauen dem Begehren nicht immer gleich nachgeben sollten, wenn ihr Kerl den Ansatz eines Ständers hat, sondern ihm den eigenen Willen zur Zurückhaltung entgegenset-zen, um ihn herauszufordern, wenigstens in der ersten Phase der Beziehung. Bei uns gingen die Phasen in meiner mangelnden Tiefe unter, versanken vor meinem schwachen Ich, das sich dem Klang deiner Stimme gehorsam beugte und kniend deine Knie umfing, um sie mit geschlossenen Augen zu küssen; du hast von Anfang an alles gehabt.
    Wenn wir in dieser Woche Landluft schnuppern wollten, standen wir schwankend auf den großen Felsen, die uns vom Wasser trennten, und bekamen vor lauter Küssen von der ganzen Schönheit um uns herum nichts mit, nicht das Panorama der Appalachen, die den See um-kränzten, noch die Sonne, wie sie jeden Abend auf einen für seine perfekte Rundung berühmten Gipfel herabsank, der wie eine Riesenbrust am Horizont lag. In den ersten Tagen hast du mich mit deiner kleinen Digicam von der Höhe deiner eins neunzig herab aus allen Blickwinkeln fotografiert, du hast mich Schlumpfine genannt, weil ich so winzig wirkte vor dem Objektiv mit meinen zu dir erhobenen Augen. Hätte meine Tante in diesen Fotos

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