Hoffnung am Horizont (German Edition)
hatte. Genauso wie jetzt. Ein Brief von Johnny hatte ihn zu jenem Besuch veranlasst. Der Inhalt dieses Briefes zwang ihn, heute wieder hierherzukommen.
Johnny war im letzten Sommer in Denver gewesen, um Rinder zu kaufen, und Willow Springs war die letzte Adresse, die er von Matthew gehabt hatte. Deshalb war er hierhergekommen, um ihn zu suchen. Aber Matthew war zu dieser Zeit schon längst weitergezogen. Sein Bruder hatte vom Mietstallbesitzer in der Stadt erfahren, dass Matthew in den Süden, nach San Antonio, geritten war. Also hatte Johnny versucht, ihm dort einen Brief zukommen zu lassen.
Matthew erinnerte sich immer noch an sein Erstaunen, als er Johnnys Handschrift auf dem Umschlag erkannt hatte.
Sein Bruder hatte geschrieben, dass er vor vier Jahren die Familienfarm in Missouri verkauft und Ranchland in Idaho erworben hatte.
Idaho … Matthew fragte sich erneut, was Johnny veranlasst hatte, so etwas zu tun.
In dem Brief hatte Johnny erklärt, dass die Hälfte des Landes rechtmäßig Matthew gehörte, da er den Erlös vom Verkauf des Familienerbes verwendet hatte, um das Land in Idaho zu kaufen. Johnny hatte seinen Bruder eingeladen, die Ranch mit ihm gemeinsam zu betreiben. Aber Matthew hatte starke Zweifel gehabt, ob die „Ranch“, die Johnny in Idaho neu aufgebaut hatte, wirklich der Rede wert war. Solange er zurückdenken konnte, hatte sein Bruder immer die Neigung gehabt, ein wenig zu übertreiben. Außerdem hatte Matthew, als er mit fünfzehn Jahren von zu Hause weggegangen war, bewusst jeden Anspruch auf sein Geburtsrecht aufgegeben. Und er hatte es gern getan und diesen Schritt nie bereut.
Die Familienfarm in Missouri war für ihn mit vielen schmerzlichen Erinnerungen verbunden, und sie war sowieso nicht viel wert gewesen. Matthew hätte bereitwillig jeden Preis bezahlt, um nicht mehr unter Haymen Taylors strenger Hand leben zu müssen. Dieser Umstand hätte das, was Johnny als Nächstes in seinem Brief geschrieben hatte, zu einem Geschenk des Himmels für ihn machen müssen.
Dein Vater ist nicht mehr da, Matthew. Du kannst nach Hause kommen.
Matthew erinnerte sich an diese Worte, als wäre es erst gestern gewesen, dass er sie gelesen hatte. Eine schwere, niederdrückende Last war ihm von den Schultern genommen worden. Aber die Freiheit, die er bei dieser Nachricht empfand, war auch von Reue begleitet gewesen. Es war irgendwie nicht richtig, dass ein Sohn nicht um den Tod seines Vaters trauerte.
Die Erinnerung verblasste und Matthew versetzte der angelehnten Tür einen leichten Stoß. Die rostigen Angeln quietschten. Er ließ seinen Blick durch das Innere der Hütte schweifen. Leer. Ein Bild tauchte vor seinem geistigen Auge auf, und wie durch einen Nebel sah er seinen Bruder, wie er im letzten Oktober in der Tür gestanden hatte.
Die Überraschung in Johnnys Gesicht war nicht zu übersehen gewesen, als er von seiner frisch angetrauten Frau zu seinem jüngeren Bruder schaute und die Worte, mit denen er die beiden einander vorgestellt hatte, noch in der Luft schwangen. Johnny musste etwas geahnt haben, denn plötzlich zogen Zweifel über sein Gesicht. „Kennt ihr zwei euch irgendwoher?“
Nach einem kurzen Zögern war Annabelle Grayson schließlich mit großen, vorsichtigen Augen vorgetreten. Sie erkannte ihn. Daran bestand für Matthew kein Zweifel. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Matthew. Jonathan hat mir viel Gutes über Sie erzählt.“
Er hatte sie sofort erkannt. Ihre blauen Augen wirkten ohne Schminke weniger groß, und ihre Haare waren viel dunkler, als er sie in Erinnerung hatte. Sie hatte ihre anzügliche Kleidung gegen ein schlichtes Kleid getauscht, aber das konnte nichts daran ändern, was sie war. Wusste Johnny es wirklich nicht? Hatte diese Frau es ihm nicht gesagt?
Wortlos hatte Matthew sie angestarrt, bis ihr höflicher Gesichtsausdruck langsam hinter einer Maske sorgfältig gehüteter Gefühle verschwunden war. Erwartete sie tatsächlich, dass er so täte, als wüsste er nicht mehr, was sie war?
Etwas raschelte in der von Spinnweben überzogenen Ecke der jetzt verlassenen Hütte und Matthew schüttelte den Kopf, um diese Erinnerungen zu vertreiben. Johnny wusste inzwischen bestimmt, welcher Fehler es gewesen war, eine Frau wie Annabelle Grayson zu heiraten, und hatte sich längst wieder von ihr getrennt. Wenn nicht, wollte Matthew dafür sorgen, dass er das tat, um Johnnys willen und um seiner selbst willen. Gott sei Dank lebte ihre Mutter nicht mehr und musste
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