Hoffnung am Horizont (German Edition)
nicht mit ansehen, wie tief ihr ältester Sohn gesunken war.
Anständige Frauen waren in den westlichen Territorien selten. Aber trotz aller seiner Schwächen und Fehler verdiente sein älterer Bruder etwas Besseres als eine Frau wie sie. Annabelle Grayson hatte vor längerer Zeit versucht, Kathryn Jennings’ Freundschaft auszunutzen, um Geld oder was auch immer sie sonst bekommen konnte für sich herauszuschlagen. Daran hatte Matthew keinen Augenblick gezweifelt. Er war um Kathryns Ruf besorgt gewesen und hatte sein Möglichstes getan, um sie davon abzubringen, sich mit dieser Frau anzufreunden. Auch Johnnys Freundlichkeit wurde leicht ausgenutzt, aber Matthew war nicht bereit, danebenzustehen und zuzuschauen, wie er ein Opfer dieser hinterhältigen Hure wurde. Denn sonst würde er womöglich sein eigenes Erbe verlieren. Ein Geburtsrecht, das er jetzt brauchte, auch wenn es nicht viel wert war.
Ohne sich umzudrehen, schloss Matthew die Hüttentür. Während er noch überlegte, was er als Nächstens tun sollte, nahm er die Zügel und führte das Pferd an eine Biegung im Fluss, an der das Wasser ruhiger und tiefer dahinfloss. Er ließ das Tier trinken, legte seinen Hut weg, stillte seinen eigenen Durst und tauchte dann die Hände in das eiskalte Wasser. Er benetzte sein Gesicht und seinen Hals und befreite sich von der Staub- und Schmutzschicht des Tagesritts, der hinter ihm lag. Vielleicht hatte Johnny daran gedacht, ihm in der Stadt eine Nachricht zu hinterlassen. Nachdem er schon so weit geritten war, war es einen Versuch wert.
Eine halbe Stunde später konnte sich Matthew mit eigenen Augen davon überzeugen, dass die weniger ehrbaren Geschäfte in Willow Springs keine Zeit vergeudet hatten, ihr Territorium zu erweitern. Er ritt an zwei neuen Saloons und einem weiteren zweistöckigen Holzgebäude vorbei, das dem Bordell eine Straße weiter sehr ähnlich sah. Eisengitter schützten die Fenster im Erdgeschoss und rote Vorhänge verdunkelten die Fenster im ersten Stock. Drei Frauen lehnten sich aufreizend ans Verandageländer. Sie beugten sich einladend vor und riefen ihm etwas zu, als er vorbeiritt.
Bevor Matthew es verhindern konnte, blieb sein Blick unwillkürlich an den Frauen hängen, was ihren Bemühungen neuen Auftrieb gab. Sofort wandte er den Blick ab. Worte gingen ihm durch den Kopf, die ihre unanständigen Einladungen erstickten.
Geh einer solchen Frau aus dem Weg, lass dich nicht einmal in der Nähe ihres Hauses blicken! Sonst verlierst du dein Ansehen … Fremde werden deinen Besitz an sich reißen.
Als er sich an diese Warnung aus der Bibel erinnerte, dachte Matthew wieder an Johnny. Er betete, dass er seinen Bruder diesmal zur Vernunft bringen könnte. Bevor diese Frau für Johnnys vollständigen Ruin sorgte.
Zwei Männer, die vor der Willow Springs Hose Company No. 1arbeiteten, blickten auf, als Matthew an ihnen vorbeiritt. Sie winkten und konzentrierten sich dann wieder darauf, die rot gestrichenen Räder des Schlauchwagens zu polieren. Geschäftsgebäude aus Holzrahmen und Steinfassaden säumten die Straße und an der Ecke stand das Baird & Smith Hotel. Willow Springs’ Geschäftsviertel hatte sich in seiner Abwesenheit kaum verändert.
Matthew blieb vor dem Mietstall stehen, um sein Pferd unterzustellen, und achtete darauf, bei dem Gespräch mit Jake Sampson, dem Besitzer des Stalls, nicht zu viel über sich preiszugeben. Sampson kannte die Menschen von Willow Springs besser, als diesen wahrscheinlich recht war, und er ließ sich nicht lang betteln, um das preiszugeben, was er wusste. Diese Eigenschaft könnte sich für Matthew heute als vorteilhaft erweisen.
Er brauchte den Namen des Ehepaares nur beiläufig zu erwähnen und hatte schon alle nötigen Informationen über den Mann und die Frau, für die er früher hier gearbeitet hatte. Sein damaliger Chef war ein guter Freund gewesen. Wenigstens hatte Matthew das gedacht.
Mitten am Vormittag herrschte in der Hauptdurchgangsstraße von Willow Springs ein reger Verkehr. Matthew war für die Anonymität, die ihm das Gedränge bot, dankbar. Auf dem Gehweg schoben sich die Menschen aneinander vorbei. Wagen säumten die Straßen, die von Arbeitern be- und entladen wurden. Frauen hatten in einer Hand einen Einkaufskorb und an der anderen ihre Kinder. Matthew entschied sich deshalb lieber, auf der Straße zu gehen, und stieg die Stufen hinab. Er wusste, wohin ihn sein nächster Gang führen würde. Er schlug die entsprechende Richtung ein und
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