Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 2
hatte.
Kate hatte in besinnungsloser Wut dem treulosen Schuft aufgelauert und sich eines Nachts mit ihrem Dampfkutter im Sturzflug auf Percy gestürzt. Der Mistkerl war daraufhin panisch in die Themse gestürzt und hatte sich eine gewaltige Erkältung eingefangen.
Aber Eileen kehrte deshalb trotzdem nicht zurück.
Eine solche tragische Wendung sollte Kates Leben auf gar keinen Fall nehmen.
Kate reckte trotzig das Kinn nach vorn, während sie ihren Dampfkutter über dem Victoria Flugfeld langsam Richtung Erdboden senkte. Auf gar keinen Fall durfte sie sich mit einem dieser Lackaffen aus der Oberschicht einlassen. Sie beschloss, noch am gleichen Abend in einen Pub zu gehen. Im East End herrschte kein Mangel an billigen Vergnügungsstätten, und es würde sich schon ein Kavalier finden, der ihr ein Bier spendierte. Kate wusste, dass viele Männer nach ihren langen roten Locken und ihrem hübschen Gesicht verrückt waren. Wenn sie sich einen neuen Verehrer anlachte, konnte sie diesen eingebildeten James bestimmt sehr schnell vergessen!
Kate und O’Leary waren genau zur rechten Zeit eingetroffen. Sie beobachteten, wie das riesige Luftschiff aus den indischen Kolonien an Fahrt verlor und die Halteleinen auswarf. Einige Helfer vom Bodenpersonal fingen die Seile geschickt ein und befestigten sie an den Kabeltrommeln. Dann wurden die Drehmaschinen angeworfen, und die Leinen wickelten sich mit beachtlicher Geschwindigkeit auf die eisernen Trommeln. Innerhalb weniger Minuten befand sich das Passagierschiff in der Landeposition.
Britische Kolonialbeamte, aber auch indische Gentlemen mit Turbanen und Ladys in ihren traditionellen Sari-Gewändern verließen die Kabine. Sie eilten über das nasse rußige Gras, um möglichst wenig von dem Londoner Regen abzubekommen. Nach der Hitze, die in Indien angeblich herrschte, musste der kühle nasse englische Frühling ein Schock für diese Menschen sein.
Kate hielt Indien für ein Märchenland, das sie zu gerne einmal selbst bereist hätte. Sie verschlang jeden billigen Sensationsroman, der in diesem exotischen Teil des britischen Weltreichs spielte. Angeblich sollte es in Indien versunkene Kulturen geben, die viele Tausend Jahre alt waren. Schon damals hatten angeblich bizarre Flugmaschinen und andere technische Geräte existiert, die wieder in Vergessenheit geraten waren.
Kate hielt das für eine Legende, der sie aber nur allzu gerne Glauben schenken wollte. Solche Geschichten las sie gerne, wenn sie nach ihrer anstrengenden Arbeit als Pilotin erschöpft im Bett lag und ins Träumen geriet. Doch jetzt war ihr Feierabend noch weit entfernt, und sie musste sich ganz auf ihre nächsten Touren konzentrieren.
Alles verlief so, wie Kate es sich gewünscht hatte. Vor ihr waren nur drei andere Drehflügler an der Reihe. Die Luftfahrzeuge ihrer Kollegen wurden im Handumdrehen von den Passagieren geentert. Nachdem die Gepäckträger die Koffer hinein gehoben hatten, erhoben sich die Dampfkutter unverzüglich in die Luft. Da Indien zum britischen Empire gehörte, war keine Zollkontrolle nötig. Wenn ein Luftschiff hingegen aus einem anderen Land kam, mussten die Passagiere natürlich ein Einreisevisum haben.
Und nun steuerte ein Reisender auf Kates Drehflügler zu. Der alte Mann war offensichtlich Inder. Er trug einen roten Turban, seine Haut war dunkel. Der schneeweiße Vollbart wallte bis auf die Brust hinunter, was einen schönen Gegensatz zu der dunklen kragenlosen Jacke mit den weiten Ärmeln und den vielen Knöpfen bildete. Der Inder legte grüßend die Handflächen gegeneinander und verbeugte sich vor Kate.
„Namaste, Mylady. Würden Sie mir das Vergnügen bereiten, mich von hier aus in die inneren Londoner Gefilde zu transportieren?“
Kate musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Das Worte „Namaste“ hatte sie schon einmal gehört, das war ein indischer Gruß. Aber es kam nicht oft vor, dass jemand sie mit „Mylady“ anredete. Außerdem fand sie die geschraubte Redeweise des Inders drollig. Der Passagier gefiel ihr schon, bevor die Fahrt überhaupt begonnen hatte.
„Mit Vergnügen, Sir. Aber ich bin keine Lady, nur eine einfache Dampfkutter-Pilotin.“
„Ihre Bescheidenheit ehrt Sie, Mylady. Wie wünschen Sie denn von mir angeredet zu werden?“
„Mein Name ist Kate Fenton.“
„Dann werde ich mit allem gebührenden Respekt Miss Fenton zu Ihnen sagen. Erlauben Sie mir die Freiheit, dass ich mich selbst mit Ihnen bekannt mache. Ich bin Raja Singh aus der britischen
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