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Hohe Wasser

Hohe Wasser

Titel: Hohe Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugenie Kain
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sie sich weigerte, dem Fischer beim Flicken der Netze zu helfen und dass sie oft schmerzende Beine hatte, so dass sie kaum ins Dorf kam und sehr zurückgezogen lebte. Eines Tages trug es sich zu, dass die Fischer vom Fischfang nicht zur vereinbarten Zeit zurückkehrten. Die Frauen versammelten sich unten am Strand, um Ausschau nach ihren Ehemännern zu halten. Nur die Wasserfrau blieb ruhig und unbesorgt. Aber die Erdäpfel gingen ihr aus. Bisher hatte immer der Mann Nachschub aus dem Keller geholt. Heute ging die Wasserfrau. An einem Haken sah sie ihre Haube hängen. Sie blieb lange im Keller, die Haube zwischen den Händen drehend. Dann setzte sie sich die Haube auf und ging hinauf. Sie küsste die Kinder, die beim Tisch saßen und Seegras für die Suppe schnitten. Sie humpelte zum Strand. Die Kinder spürten, dass mit ihrer Mutter etwas nicht stimmte, und liefen ihr nach. Die Wasserfrau ging an den wartenden Ehefrauen vorbei ins Wasser. Mutter, bleib stehen, schrien die Kinder. Die Wasserfrau stand bereits bis zur Hüfte im Wasser. Sie drehte sich um und schaute die Kinder an. Zuerst sah es aus, als würde sie umkehren. Aber dann fischte sie ein Blatt Fingertang aus dem Wasser, band sich damit die Haube fest und warf den Kindern einen letzten Kuss zu. Sie köpfelte in die Wellen und war weg. Kurze Zeit später kamen die Fischer in ihren Booten. Sie hatten reichen Fang gemacht. Sie wirkten sehr benommen und erzählten, dass sie einen schrecklich traurigen Gesang gehört hatten, als sie sich der Küste näherten. Von diesem Tag an aßen die Kinder keine Fische mehr. Sie hatten Angst, einen ihrer Verwandten zu verspeisen.
    – Gehst du auch wieder zurück ins Wasser?, fragte das Mädchen.
    – Ihr esst doch schon jetzt keine Fische mehr, sagte sie.
    – In dieser Geschichte kommt kein Nixenblut vor, sagte der Bub.
    – Da gibt es noch eine zweite Geschichte, sagte sie, und ich habe das Gefühl, da gibt es einen Zusammenhang.
    Die Fischer blieben oft tagelang auf dem Meer. Die Arbeit daheim erledigten die Frauen. Sie sorgten für die Kinder und für die Alten, sie bestellten die Felder, versorgten das Vieh, ernteten Tang, um damit die Felder zu düngen, und suchten nach Holz für das Feuer, und wenn sie keines fanden, trockneten sie Kuhfladen, um Brennstoff zu haben. Die Frauen waren gewohnt, selbstständig zu arbeiten, und weil sie den Wert ihrer Arbeit kannten, ließen sie sich von niemandem etwas erzählen. Die Insel wurde deshalb am Festland auch die Insel der Hexen genannt, aber das ist eine andere Geschichte. Uns geht es um Folgendes: Eine Fischersfrau rückte aus, um bei Pen Men Algen zu ernten. Weil alle Familienangehörigen außer Haus waren, nahm sie ihre kleine Tochter in einem Korb zur Arbeit mit. Sie stellte den Korb in sicherem Abstand zum Meer in eine Felsnische und schärfte dem Kind ein, die Nische nicht zu verlassen. Ihr wisst, wie Kinder sind. Sie hören nicht auf die Mutter. Der Kleinen wurde bald langweilig, sie kletterte von der Nische herunter und stapfte zum Strand. Die Mutter stand auf der anderen Seite der Bucht im Wasser und stach Algen aus dem Meeresboden. Plötzlich lag ein sirrender Ton über dem Wasser, als hätte jemand das Meer in klingende Schwingungen versetzt. Eine Wasserfrau tauchte aus dem Wasser auf und planschte am Strand. Da war es schon zu spät. Die Frau sah mit an, wie sich die Sirene eine Muschelkette vom Hals nahm, das Kind mit wasserheller Stimme lockte, ihm die Kette umlegte und mit dem Kind in den Fluten verschwand. Die geschockte Mutter warf sich sofort ins Wasser. Weil aber Fischersleute nicht besonders gut schwimmen konnten, musste sie ihre Suche bald abbrechen. Das Dorf war in Aufruhr. Mehr als zehn Jahre hatte es keine Begegnung mehr mit Wasserwesen aus der anderen Welt gegeben. Zuletzt war die Frau des Fischers ins Meer zurückgekehrt. Auf Groix war noch nie ein Kind von einer Sirene geraubt worden. Aber es gab Erzählungen von fremden Fischern aus weit entlegenen Gebieten, wonach Sirenen unersättlich sein konnten. Bei einer Kanne Kaffee ersannen die Männer einen Plan. Am nächsten Tag kam die Frau hierher, an die Bucht von Locmaria, um Algen zu ernten. Wieder trug sie einen Korb. In dem Korb lag eine Puppe. Den Korb stellte sie auf einen Felsen, ganz nah zum Wasser. Die Puppe lag auf einem Leinensack, in den sie eine Katze gesteckt hatten. Die Katze versuchte verzweifelt, sich aus dem Gefängnis zu befreien. Von außen sah es aus, als würde ein Säugling mit

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