Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
wie eine Prinzessin und sehnte mich nach einem Platz, wo ich so sein durfte, wie ich war, und wo man mich akzeptierte. Diesen Ort wollte ich finden.
Nach der Entscheidung meines Vaters, mich nicht zum Ballettunterricht zu lassen, war ich das erste Mal so richtig auf dem Popo gelandet. Deshalb fing ich an, mir einen Plan B zu überlegen. Es musste doch einen Ausweg geben. Langsam wuchs in mir der Gedanke heran, später nach Europa zu gehen, wo die Leute viel freier lebten. Das hatte ich in den alten Filmen gesehen. Bereits mit etwa sieben Jahren begann ich, mich auf diesen Plan B vorzubereiten. Das mag ungewöhnlich früh für ein Kind sein, aber ich bin sicher, dass ich nicht der Einzige war, dem es so erging. Denn sobald ich verstanden hatte, was Homosexualität bedeutete, nämlich Männer zu lieben, habe ich mich dauernd gefragt: Gehöre ich wirklich, wie die anderen sagen, in die Klapsmühle?
Vielleicht verkleidete ich mich so gerne als Prinz, weil er der Gute, der Nette, der Hübsche war. Die Leute liebten den Prinzen, er war angesehen und sein Leben ging immer gut aus: »Und wenn er nicht gestorben ist, dann …« In meiner Fantasie hatte ich meine Rolle gefunden, und es war nicht die, die andere mir zugeteilt hatten. Meine Rolle war die des Prinzen, der gut und beliebt war – mit einem zweiten Ich. Deshalb wollte ich auch in der Realität, dass die Menschen mich so akzeptieren. In meinen Spiegelspielen sagte ich mir vor: »Jorge, auch wenn du kein Prinz bist – du bist gut so, wie du bist. Kämpfe für dich selbst.«
Let’s glam
Als Kind habe ich mich für meine bemba , meine dicke Unterlippe, geschämt und ständig versucht, sie einzuziehen, auch wenn ich manchmal fast keine Luft bekam. Die Kinder auf der Straße hänselten mich deswegen, riefen mir manchmal negro bembón hinterher, was so viel wie dicklippiger Schwarzer bedeutet. Ich habe das gehasst und entwickelte mit der Zeit einen richtigen Komplex.
Meine krausen Haare mochte ich auch nicht und wollte sie lieber glatt haben wie der hübsche japanische Junge. Mit zehn, elf Jahren zog ich mir jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Damenstrumpfhose über den Kopf, damit meine Haare am nächsten Tag glatter waren. Das hatte ich mir von meiner Schwester abgeschaut. Sie drehte ihre Haare mit den Papprollen vom Klopapier wie auf Wicklern ein. Dann machte sie aus ihren alten Nylons einen Turban, den sie so straff über den Kopf zog, dass die aufgedrehten Haare ganz platt gedrückt wurden. Am Wochenende lief sie oft den ganzen Tag so herum, damit abends die Haare wie gebügelt aussahen. Weil ich das auch wollte, klaute ich ihr eine Strumpfhose und quälte mich nachts mit meinem selbst gebastelten »Haarnetz« herum. Morgens dauerte es eine halbe Stunde, bis die Abdrücke der Nähte auf meiner Stirn verschwunden waren. Doch die Mühe hat sich nicht wirklich gelohnt, denn kaum waren die Abdrücke weg, kamen die Locken wieder, weil die Luftfeuchtigkeit in Kuba so enorm hoch ist.
In den Achtzigerjahren erlebte ich dann die große Überraschung: Meine bemba , meine großen Lippen, waren auf einmal total in. Es war die Ära der Supermodels, und viele Frauen ließen sich damals die Lippen aufspritzen. Ich bekam jede Menge Komplimente: »Ach, du hast so wunderschöne volle Lippen.« Toll, sagte ich mir und präsentierte von da ab meine Lippen richtig. Das war ein supergutes Gefühl. Da habe ich begriffen, wie dumm wir manchmal sind. Jeder Mensch hat das Recht, sich schön zu fühlen, denn Schönheit ist relativ und liegt im Auge des Betrachters. Was für mich schön ist, muss es für einen anderen nicht automatisch sein.
In den Fünfzigerjahren sollten die Frauen so vollbusig wie Sophia Loren und in den Siebzigern so dünn wie Twiggy sein. Heutzutage sind schon die Schulkinder davon überzeugt, dass Schönheit bedeutet, groß und dünn zu sein, Modelmaße und vielleicht noch blonde Haare und blaue Augen zu haben. Aber macht das auch glücklich? Viele Frauen entsprechen dem Schönheitsideal unserer Gesellschaft nicht und fühlen sich trotzdem wohler in ihrer Haut als manche, die dieses Ideal eins zu eins verkörpern.
In Kuba hat man ein ganz anderes Schönheitsideal als in Europa. Dort muss eine Frau etwas auf den Rippen und vor allem einen Popo haben – ohne Popo ist sie verloren. Deshalb machen die Chicas ein Holzkreuz * , um ihr Hinterteil noch stärker zu betonen.
Dieses Schönheitsideal wird der Kubanerin schon als Kind eingeimpft – das lernen die
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