Hollisch verliebt
wollte lieber in seiner tierischen Gestalt laufen. So konnte er Mary Ann riechen. Und jeden, der mit ihr zu tun hatte.
Als er die Straße erreichte, auf der er sie zuletzt gesehen hatte, mitten in einer geschäftigen Einkaufsmeile, wurde er schließlich langsamer. Autos hupten und fuhren Schlenker, um ihm auszuweichen. Er duckte sich in die Schatten der Häuser. Nicht dass ihn Tierfänger mit ihren Betäubungsgewehren erwischten.
Adrenalin strömte mit Macht durch seine Adern, sein Blut fühlte sich an wie Feuer. Ihm war so heiß, dass er eine Spur aus Schweißtropfen auf dem Bürgersteig hinterließ. Wahrscheinlich roch er streng. Gut so, dann würde ihm niemand zu nahe kommen.
Er schnüffelte und schnupperte – zahllose Gerüche vermischten sich hier. Er schnupperte weiter, um sie einzuordnen, und bemerkte schließlich einen Hauch Magie. Selbst nass und schwer, wie sie waren, stellten sich ihm die Haare auf dem Rücken auf. Magie hieß Hexen, und die Hexen hassten Mary Ann inbrünstig.
Vielleicht lebte hier ein Hexenzirkel, der noch nichts von der Kraftdiebin in seiner Mitte ahnte. Oder die Hexen verfolgten Mary Ann. Er schnüffelte weiter – da. Sein Herz pochte schneller und kräftiger. Mary Ann. Ihr Geruch hatte sich nicht nur gehalten, er war noch stärker geworden. Sie musste mehrmals an dieser Stelle vorbeigekommen sein, zuletzt vor Kurzem. Warum? War sie den Hexen über den Weg gelaufen? Und wenn ja, hatte sie den Hexen ihre Zauberkraft genommen, oder hatten die Hexen sie gefangen? Oder Schlimmeres mit ihr getan?
Riley sah sich um. Modeboutiquen, ein Delikatessenladen, mehrere Cafés. Ein Stück weiter wurde eine Anhöhe von zahlreichen Laternen erhellt. Hinter einem verdorrten Rasen erhob sich ein hohes weitläufiges Gebäude, alter Sandstein mit Türmchen und einer Betontreppe am Eingang. Eine Bibliothek.
Volltreffer. Mary Anns natürlicher Lebensraum.
Riley lief hinüber und trottete die Stufen hinauf. Die Öffnungszeit war bereits vorüber, die Bibliothek leer. Schnüffelnd drehte Riley sich im Kreis. Ah ja. Mary Anns süßer Duft hing schwer in der Luft. Sie war oft hier gewesen. Nachforschungen lagen ihr wirklich im Blut.
Aber was hatte sie hier recherchiert? Hatte sie sich über Kraftdiebe informiert? Schon bei dem Gedanken krampfte sich sein Inneres zusammen. Solche Datenspuren waren die Pest, und Hexen verfolgten so etwas. Wie auch nicht? Sie würden Mary Ann finden – wenn sie es nicht schon getan hatten –, bevor sie die Hacken zusammenschlagen und sich nach Hause wünschen konnte.
Als er weiterschnüffelte, fiel ihm ein weiterer bekannter Geruch auf. Dumpf, mit einem Hauch Zitrus. Riley kannte ihn zwar, aber nicht gut genug, um ihn sofort zuordnen zu können.
Dann verlor Riley die Spur. Zigarettenrauch waberte durch die Luft und überdeckte alles andere. Riley knurrte tief und kehlig. Er hasste dieses Dreckzeug, und wenn er denjenigen fand, von dem es kam, würde er …
Hinter einer der Säulen saß ein verdreckter Typ mit einer Whiskeyflasche in einer Rauchwolke. „Komm her, Hündchen“, lallte er.
Das ist ja wohl nicht dein Ernst. Wieder knurrte Riley.
Dafür erntete er ein betrunkenes Kichern. „Fieser kleiner Köter, was?“
Klein? Wohl kaum. Du hast Glück, dass ich dich nicht vollpisse, Alter. Riley bleckte die scharfen Zähne und wandte sich um. Er konnte die Einkaufsmeile sehen, durch die er gekommen war, dahinter heruntergekommene Wohnhäuser, höchstwahrscheinlich Crackbuden, und ein paar Streifenwagen mit blinkenden Einsatzlichtern. Noch weiter hinten lag die Innenstadt von Tulsa. Zahllose Lichter und Hochhäuser aus Glas und Chrom.
So weit hätte sich Mary Ann nicht von der Bibliothek entfernt, nicht einmal, um in der Menge unterzutauchen. Zum einen konnte sie es sich nicht leisten, dort zu wohnen, zum anderen war Information ihre Droge der Wahl, und sie wollte bestimmt in der Nähe der Quelle bleiben, falls ihr eine Idee kam und sie einen neuen Fix brauchte.
Also ein billiges Motel in der Nähe. Riley trottete schnüffelnd weiter, bis er die richtige Spur fand. Da! Voller Vorfreude lief er schneller.
Wenn er sie fand, würde er sie als Erstes ordentlich schütteln. Als Zweites würde er sie küssen. Dann wieder schütteln. Und wieder küssen.
Sie hatte ihn wahrscheinlich hundert Jahre seines Lebens gekostet. Und das schmeckte ihm gar nicht. Gestaltwandler waren nicht unsterblich, lebten aber sehr lange, und er wollte jeden Augenblick nutzen.
Seine Eltern
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