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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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Gottschalk herausfordernd an.
    In den letzten Tagen hatte er den aufbrausenden Freund Walahfrids in sein Herz geschlossen. Sicher, seine Ansichten waren ungewöhnlich, und wenn sich seine Meinung durchsetzen würde, dann wäre der Lauf der Welt nicht mehr sicher. Aber Gottschalk schien Thegan in diesen Tagen wie ein Kraftquell, der nicht versiegen konnte. Er fand sich mit Gegebenheiten niemals ab und suchte immer nach einem anderen Weg, den er unbeschadet gehen konnte. Darüber hinaus quälten ihn offensichtlich nie Selbstzweifel: Wenn Gottschalk von einer Meinung überzeugt war, dann ließ er nichts anderes gelten – und sei es das Wort des Papstes.
    Jetzt allerdings hatte er keine Lust, Thegan auf das Frühlingsfest der Klosterstadt zu begleiten. Er winkte ab und blieb auf der kleinen Bank in Walahfrids Gärtchen sitzen. »Ich war schon häufig auf diesen Festen, mit denen die einfachen Leute den Frühling und das Ende der Fastenzeit feiern. Wenn ich ehrlich bin, dann sind mir die ausschweifende Freude und die Begeisterung an den weltlichen Genüssen fremd. Wenn ich das Leben feiern möchte, dann nicht auf eine so … gewöhnliche Art.«
    »Ich dachte, genau das ist der Grund, warum du dich so beharrlich weigerst, die Profess abzulegen? Dir geht es gar nicht um die Dinge, die dir ein Leben außerhalb der Klostermauern bieten kann?« Dieser Gottschalk schaffte es immer wieder, Thegan zu überraschen.
    Gottschalk lachte. »Nein. Ich finde in den Klöstern bereits alles, was ich für mein Wohlbefinden benötige: Bildung, Bücher, Macht und auch ausreichend Zerstreuung und Essen. Das Bier nicht zu vergessen. Aber mir gefällt es nicht, dass ich den Befehlen und Anordnungen eines Abtes jederzeit Gehorsam leisten muss. Schlimmer noch: dass dieser Abt mir vorschreiben kann, wie ich meine Gaben am besten einsetzen soll. Und ich bin der Meinung, dass ich der einzige Mensch bin, der beurteilen kann, wo meine wahren Talente liegen.«
    »Da magst du recht haben, lieber Gottschalk«, unterbrach ihn Thegan. »Auch wenn ich mir nicht immer sicher bin, ob du wirklich weißt, was du mit deiner gewonnenen Freiheit anfangen würdest. Ich für meinen Teil werde meinen freien Willen jetzt dazu einsetzen, in der Klosterstadt ein wenig dem Feiern und dem Tanz der Menschen zuzusehen. Ich wünsche dir viel Spaß beim Singen mit deinen Mitbrüdern.« Er schlug Gottschalk noch einmal auf den Rücken und wandte sich zum Gehen, als er plötzlich die ironische Stimme von Walahfrid hörte. Der Mönch hatte sich bis dahin in einer Ecke seines Gärtchens über einen Strauch gebeugt und die ersten keimenden Blättchen betrachtet. »Dein Bestreben, dem einfachen Volk bei seinen Vergnügungen zuzusehen, hat doch nicht etwa mit dem blonden Mädchen zu tun, nach dem du dich in den letzten Tagen so angelegentlich erkundigt hast? Diese Fischerstochter, wie hieß sie noch?«
    »Hemma«, sagte Thegan.
    »Ja, richtig. Hemma. Schöner Name für ein noch schöneres Mädchen. Also, sprich: Damit hat es nichts zu tun?« Walahfrid musterte seinen adeligen Helfer. »Oder vertreibt die Luft des Frühlings womöglich sogar die winterliche Schwermut aus deinen vernarbten Gliedern?«
    Thegan bückte sich, packte einen Erdklumpen und warf ihn mit einer schnellen, geschickten Bewegung nach Walahfrid. »Dein Spott ist überflüssig, mein guter Freund. Das Mädchen ist wahrscheinlich ohnehin schon einem der Männer aus der Stadt versprochen. Darüber hinaus habe ich bis jetzt nur wenige Worte mit ihr gewechselt – ich kann also nicht wissen, ob es sich nicht vielleicht um ein eitles Ding handelt, das keine weitere Beachtung verdient.«
    Gelassen wischte Walahfrid die Erdkrumen von seinem Habit. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. »Wie ich höre, hast du dir schon einige Gedanken über diese Hemma gemacht. Du denkst sogar über ihren Vater nach. Wo mag das hinführen, edler Herr?«
    »Nirgendwohin!«, erklärte Thegan ärgerlich, als er die beiden Freunde nebeneinander sah, beide mit einem eindeutigen Lächeln auf dem Gesicht.
    Walahfrid bückte sich, brach ein zartes Blättchen von der Pflanze und reichte sie mit einer angedeuteten Verbeugung seinem Gehilfen. »Auch wenn es ›nirgendwohin‹ führen mag, so rate ich dir doch, deine Haut mit ein wenig Salbei einzureiben. So verströmt deine Haut einen feinen Geruch. Die Damen finden so etwas anziehend, habe ich gehört.«
    Mit einem letzten Kopfschütteln wandte Thegan sich zum Gehen. Für diesen Festtag hatte

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