Holunderliebe
träumen, Hemma.«
»Jetzt sei schon still, Rothild. Du hast gut reden, mit deinem Reginolf hast du einen Mann und erwartest schon dein zweites Kind. Du bist eine echte Frau, während mein Vater dafür sorgt, dass ich auf ewig nur sein Kind bleibe.« Sie zuckte mit den Schultern. »Da können ein paar Träume nicht schaden. Und jetzt lass uns sehen, ob wir tatsächlich ein paar Melden finden.«
Die beiden Mädchen gingen lachend und scherzend davon. Sie bemerkten nicht, dass Thegan ihnen noch eine Weile hinterhersah. Diese Hemma ging ihm nicht aus dem Sinn. Mit ihrer hellen Haut kam sie ihm so vor, als würde sie die Sonne und die Fröhlichkeit des Sommers in sich tragen. So viel Licht in einem Menschen hatte er lange nicht gesehen.
Erst als sie aus seinem Blick entschwunden war, machte er sich wieder in Richtung Kloster auf. Es war an der Zeit, Walahfrid wieder bei seinen Beeten zu helfen.
Schon aus einiger Entfernung konnte er sehen, dass der Mönch dieses Mal nicht allein war. Er arbeitete an den Beeten – aber auf der schmalen Bank an der Mauer saß ein Mann in Thegans Alter und schien mit Walahfrid in einen heftigen Disput verwickelt. Als Thegan näher kam, konnte er nicht umhin, den beiden zuzuhören.
»Ich werde allen beweisen, dass man mich nicht zwingen kann!«, rief der Besucher. Er trug seine kastanienbraunen Locken etwas länger, als es üblich war, und sein Bart war auch nicht so sorgfältig gestutzt, wie man es von einem gebildeten Mann erwarten würde. Trotzdem verriet seine Kleidung, dass er aus einem guten Haus stammte, denn sie war von guter Qualität und nach der neuesten Mode geschnitten – auch wenn sie seine breiten Schultern nur schlecht verbarg. Er wirkte wie ein geborener Krieger.
Thegan räusperte sich, damit er nicht einer Unterhaltung zuhören musste, die nicht für seine Ohren bestimmt war. Walahfrid fuhr herum. Als er Thegan erkannte, machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit.
»Thegan! Darf ich dir Gottschalk vorstellen? Er ist ein guter Freund aus meiner Zeit bei Rabanus Maurus in Fulda. Heute Morgen ist er hier in Sintlasau eingetroffen und hat mich mit seinem Besuch überrascht. Er wird wohl einige Zeit bleiben.«
Thegan nickte dem Besucher zu und musterte ihn mit nur schlecht verborgener Neugier. »Aus Fulda? Ich war immer der Meinung, dass Rabanus Maurus nur Oblaten, Novizen und junge Mönche unterrichtet.«
Walahfrid nickte. »Da hast du auch recht. Gottschalk war dem Kloster versprochen. Allein, er ist der Meinung, dass er sich nicht an das Versprechen seiner Eltern an das Kloster halten muss. Deswegen ist er hier.«
»Du hast jahrelang als Oblate im Kloster gelebt und dann die Profess nicht abgelegt?«, wandte sich Thegan an den Fremden. »Das ist ungewöhnlich, wenn ich ehrlich sein soll. Ich wusste nicht, dass so etwas möglich ist.«
»Ist es auch nicht«, knurrte Walahfrid. »Aber mein Freund glaubt nicht daran, dass man Regeln folgen muss. Wahrscheinlich findet Gottschalk es sogar eine Frechheit, dass unser Herr es so eingerichtet hat, dass man regelmäßig atmen muss, um am Leben zu bleiben.«
»Blödsinn!«, erklärte Gottschalk. »Ich will nicht den Weltenlauf ändern, sondern nur den Lauf meines eigenen Lebens. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.« Er grinste Thegan an. »Walahfrid übertreibt gerne. Ich fühle mich lediglich nicht zu einem Leben als Mönch berufen – und möchte deswegen auf die Kutte und die Sicherheit der Klostermauern verzichten. Was kann daran schon schlecht sein?«
»Nun, wenn es der Weg ist, den deine Eltern für dich vorgesehen haben, und sie dich an das Kloster versprochen haben …«, begann Thegan.
Er wurde von einem aufgebrachten Gottschalk unterbrochen. »Aber genau das ist doch der Punkt! Wie können meine Eltern über mein Schicksal und mein Leben entscheiden, wo es doch um mich geht und nicht um sie?«
»Nun, der Brauch will es, dass ein Vater seinen Sohn mit dem Altartuch an ein Kloster binden kann. Du hast eine Ausbildung genossen, der Abt hat jahrelang auf dich geachtet, dich gekleidet und dich gefüttert. Da ist es doch nur recht und billig, wenn du jetzt deinen Preis für dieses Leben erbringst. Deine Fähigkeiten werden in deinem Kloster sicherlich benötigt …«
»Ich kann meine Fähigkeiten aber auch sehr gut für mich selber einsetzen!«, schnaubte Gottschalk. »Auf jeden Fall werde ich die Gerichte anrufen, meinen Fall zu verhandeln. Ich werde nicht ohne Widerspruch eine Kutte
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