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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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angegriffen.«
    Nachdenklich sah Hemma auf den See hinaus. »Er wird toben. Immer hat er mir gesagt, dass er mir irgendwann einen passenden Mann aussuchen wird.« Sie pflückte eine Wiesenblume und zupfte gedankenverloren einige der Blütenblätter ab. »Aber du hast recht. Ich muss es ihm sagen. Besser heute als morgen. Ich fürchte mich nur davor, ihm ganz allein gegenüberzutreten.«
    Beruhigend streichelte ihr Rothild über den Arm. »Ich kann mit dir kommen, wenn du willst. Er liebt dich, er wird dich schon nicht schlagen.« Ein halbes Lächeln zog über ihr Gesicht. »Obwohl du es wirklich verdient hättest!«
    Die beiden Freundinnen lachten ein wenig. Rothild griff nach Hemmas Hand. »Komm, bringen wir es hinter uns. Es wird nicht besser, wenn du jetzt noch wartest, oder?«
    »Eigentlich wollte ich erst Thegan davon erzählen …«, wehrte Hemma sich halbherzig.
    »Blödsinn. Wenn der bis jetzt nichts mitgekriegt hat, dann ist er wahrscheinlich sowieso blind für Frauendinge. Was soll er schon sagen? Bei deinem Vater um deine Hand anhalten? Das steht ihm nicht frei, selbst wenn er es wollte. Seine Familie wird auch ein Wörtchen mitreden wollen. Dein Vater ist die viel wichtigere Person in dieser Sache, das steht fest.«
    Widerstrebend machte Hemma sich mit ihrer Freundin auf den Rückweg in die Klosterstadt. Es war ein friedlicher Sommersonntag, auf den Feldern herrschte Ruhe, die Bienen summten von Blüte zu Blüte, und nur das Schlagen der Glocke, die die Mönche zum Gebet rief, unterbrach die Stille. Das würde sich ganz sicher ändern, wenn Routger vom Zustand seiner Tochter erfuhr.
    Das Glockengeläut begleitete Thegan, als er später an diesem Tag durch die Straßen der Klosterstadt ging. Immer wieder überraschte es ihn, wie still es sonntags wurde. Aus den Werkstätten drang kein Geräusch, nur die spielenden Kinder mit ihrem Geschrei zeigten, dass die Stadt nicht vollständig ausgestorben war. Alle Hände ruhten heute. Er ertappte sich dabei, dass er leise vor sich hin sang, und musste lächeln. Die düsteren Stunden des Winters und des Frühling erschienen ihm Ewigkeiten entfernt, die Lebensfreude war wieder zurückgekehrt. Schuld daran war einzig Hemma, die ihn mit ihrem fröhlichen Gemüt aus aller Finsternis gezogen hatte.
    Doch lange konnte er sich nicht an diesen Gedanken erfreuen. Noch bevor er die kleine Ansammlung von Häusern verließ, um sich zu seinem Lieblingsschwimmplatz aufzumachen, tauchte Routger vor ihm auf. Mit Hemmas Vater hatte Thegan bis jetzt noch kein einziges Wort gewechselt. Warum auch? Der Fischer sah ihm oft düster hinterher und war dafür bekannt, seine Tochter unter Verschluss zu halten, als wäre sie ein besonders seltener Edelstein in der Krone des Königs. Eine Einschätzung, die Thegan durchaus teilte, wenn auch aus anderen Gründen.
    Jetzt schien Routger allerdings nicht über die Schönheit seiner Tochter reden zu wollen. Sein Gesicht war puterrot vor Zorn, und er griff ohne lange Umschweife nach Thegans Arm. »Du kommst mit zu mir nach Hause!«, knurrte er. »Wir müssen reden. Sofort.« Er wartete keine Antwort ab, sondern zerrte Thegan gleich mit sich.
    Das kleine Haus unterschied sich nur wenig von den anderen der Klosterstadt: Es bestand aus geschwärztem Fachwerk und hatte ein mit dunklen Schindeln gedecktes Dach. Routger schob Thegan durch die niedrige Tür. Drinnen musste der junge Mann kurz warten, bis seine Augen sich an das dämmrige Licht gewöhnt hatten. Dann erst erkannte er Hemma, die an einem grob geschnitzten Tisch saß und ihm mit vor Angst geweiteten Augen entgegensah.
    Routger war offensichtlich kein Freund von langen, kunstvollen Reden. Er deutete auf seine Tochter. »Du hast meine Tochter in Schwierigkeiten gebracht«, erklärte er. »Sie bekommt jetzt ein Kind von dir. Und weißt du, was das für die Frauen in ihrer Familie heißt? Sie sterben.«
    »Sterben? Ein Kind?« Thegan versuchte die wenigen Sätze, die Routger eben gesagt hatte, zu begreifen. »Von mir?«
    »Von wem denn sonst?«, donnerte Routger. »Oder willst du etwa unterstellen, dass meine Hemma mit einem anderen Mann Umgang gepflegt hätte?«
    »Nein, nein, das war dumm von mir«, sagte Thegan erschrocken. »Ich bin nur so überrascht, damit habe ich nicht gerechnet …«
    »Was hast du denn geglaubt, wie Kinder entstehen?« Routger war kein bisschen leiser geworden, und Thegan ertappte sich bei dem Gedanken, dass jetzt bestimmt auch die Nachbarn von Hemmas Zustand

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