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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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unterschätzende Vorteile.«
    Thegan fuhr mit seiner Hand durch die kleinen Blätter und hielt sie dann unter seine Nase. »Sollte ich jemals ein eigenes Haus haben, dann soll diese Raute im Garten stehen!«
    Er drehte sich um und roch an dem Kraut, das direkt daneben wuchs. Mit gekräuselter Nase richtete er sich wieder auf. »Walahfrid, das riecht nach einer herzhaften Suppe und einem nahrhaften Mahl. Wann willst du diese Pflanze einsetzen? Wenn deine Patienten hungrig sind?«
    »Das sagen viele, die den Sellerie in meinem Garten entdecken«, meinte Walahfrid lächelnd. »Aber das zeugt doch nur von Unkenntnis über die wahren Werte dieser Pflanze. Wenn du die Samen zerreibst, dann kannst du damit die quälenden Leiden der Blase beenden. Und die Sprossen können die Übelkeit nach einem verdorbenen Gericht oder dem Genuss von unsauberem Wasser von dir fernhalten. Also sei nachsichtig mit dem einfachen Sellerie, und achte ihn. Er ist so hilfreich wie jedes andere Kräutlein in meinem kleinen Paradies.« Er deutete in die Ecke. »Das ist wie mit dem Rettich. Die meisten essen ihn ohne Sinn und Bedacht, aber in Wahrheit ist er ein guter Helfer gegen den Husten und hat bestimmt schon so manches Leben gerettet.«
    Thegan liebte dieses Spiel und versuchte sich wirklich alles zu merken, was ihm der Mönch aus seinem reichen Wissen weitergab. Er zeigte auf ein reich blühendes Beet an der Wand, direkt neben dem Ausgang. »Aber die hier stehen wirklich nur hier, um das Auge zu erfreuen. Oder willst du mir etwas anderes erzählen?«
    Langsam ging Walahfrid zu den hohen Pflanzen, die hier wuchsen. Die eine hatte lange Stängel, an deren Spitze die letzten Blüten sich wie ein hauchzartes, rotes Vlies öffneten. Bei den meisten der Blüten aber waren diese Blätter längst abgefallen und zeigten eine grüne Kapsel. Der Mönch wurde ernst. »Diese Schönheit hier birgt Gefahren. Die vielen Körner in den Kapseln fördern das Vergessen – aber ich bin mir nicht immer sicher, ob das Vergessen ein Segen oder ein Fluch ist.«
    Neugierig betrachtete Thegan die harmlosen Kapseln. »Sie helfen beim Vergessen? Vielleicht sollte ich sie gegen meine üblen Erinnerungen aus Barcelona nehmen?«
    Ein nachdenkliches Kopfschütteln war die Antwort. »Du kannst nicht steuern, welche Erinnerungen er nimmt. Und hin und wieder bin ich mir nicht sicher, ob diese Pflanze überhaupt so gut ist, wie ich immer dachte. Aber sie kann wirksam gegen Schmerz sein – und solange es Menschen gibt, die sich mit der Axt in den Fuß hauen, so lange hat der Schlafmohn sicher das Recht auf ein Beet in meinem Gärtchen.« Er deutete auf die schneeweiß blühenden Lilien. »Mit dieser Schönheit ist es einfacher. Ihr Saft hilft bei blauen Flecken und Verrenkungen, und darüber hinaus sieht sie wunderbar aus und erinnert an unsere heilige Jungfrau. So sollten alle Pflanzen sein …«
    Dann warf er Thegan eine Hacke zu. »So, jetzt haben wir genug geredet. Komm und hilf mir beim Kampf gegen das Unkraut. Und nach so einem warmen Tag werden wir unsere Beete auch wässern müssen, wenn wir irgendwann ernten wollen.«
    Gemeinsam machten sie sich an die Arbeit – und redeten weder über die Pflanzen noch über junge Frauen. Thegan war das Schweigen recht. So konnte er seinen Gedanken nachhängen, die sich immer nur um Hemma drehten …

9.
    Hier gefällt es mir wohl, im Kranz meiner leichten Gedichtchen nun des Feldmohns Erwähnung zu tun, den die Mutter Latona trauernd wegen des Raubs ihrer Tochter genossen, so sagt man, dass ersehntes Vergessen die Brust ihr vom Kummer befreie.
    H emma dreht sich auf den Rücken und legte eine flache Hand auf ihren Bauch. »Ich glaube, ich bekomme ein Kind«, sagte sie ohne große Vorreden.
    Rothild fuhr hoch, soweit ihr schwerer werdender Körper es ihr gestattete, und starrte ihre Freundin an. Die beiden hatten sich unweit der Klosterstadt einen ruhigen Platz am Ufer gesucht und seit bestimmt einer Stunde über ihre Gedanken und Träume gesprochen. Wobei Hemmas Träume sich in diesen Wochen ausschließlich um ihren adeligen Geliebten drehten.
    »Das meinst du nicht im Ernst!«, rief Rothild. »Dein Vater wird dich erschlagen! Du bringst nichts als Schande über ihn, und dieser Thegan wird sich schneller hinter seine Klostermauern zurückziehen als eine Schnecke in ihr Häuschen! Bist du dir denn sicher?« Sie musterte ihre Freundin. »Ich kann noch nichts sehen!«
    »Das liegt an dem Kleid«, erklärte Hemma. »Wenn ich

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