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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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Testament.
    »Michael. Der Engel heißt Michael. Er stürzte Satan aus dem Himmel.« Nele hatte ihre Stimme wieder zu einem Flüstern gesenkt. »Bitte, steck das Schwert zurück und lass uns endlich gehen.«
    »Einen Moment noch.« Flavio zeigte auf den Griff. »Hier steht was!«
    Sie beugten sich über das Schwert und ihre Köpfe berührten sich leicht. Ein Gefühl der Wärme durchströmte Nele und einen Moment lang vergaß sie die Angst vor Holzer. Dann war der Augenblick auch schon wieder vorbei.
    »Was steht da?«, fragte sie noch leicht verlegen.
    Flavio nahm das Schwert und trat in den helleren Mittelgang hinaus. »Adhuc stat«, murmelte er. »Da steht adhuc stat. Weißt du, was das bedeutet?«
    Nele schüttelte den Kopf.
    »He! Was macht ihr da?« Eine aufgebrachte Stimme schreckte sie aus ihren Überlegungen. Ein Mann kam den Kirchengang heruntergelaufen, direkt auf sie zu. Der Küster!
    »Los, lauf!« Flavio ließ das Schwert zu Boden fallen. Dann sprintete er los.
    »Halt! Stehen bleiben!«
    »Hier entlang!« Flavio zerrte Nele in eine der Bankreihen, ließ sich zu Boden fallen und kroch unter den Bänken hindurch in Richtung Ausgang. Nele streifte hastig den Rucksack vom Rücken und krabbelte hinter ihm her. Endlich erreichten sie die letzte Bank. Nele schob den Rucksack nach vorne und richtete sich auf. Da wurde sie an den Haaren nach oben gerissen.
    »Hab ich euch! Verdammtes Gesindel!«
    »Aua! Lassen Sie mich los!« Panisch versuchte Nele, die Hand abzuschütteln.
    »Den Teufel werde ich tun!« Der Küster packte noch ein bisschen fester zu. Nele wand sich unter seinem Griff. Hilfe suchend hielt sie nach Flavio Ausschau, aber der war nirgends zu sehen. Tränen schossen ihr in die Augen.
    »Na? Wo steckt er denn, dein Freund? Hat er sich aus dem Staub gemacht und dich alleingelassen?« Hämisch grinsend zog der Küster Nele ein Stückchen zu sich heran. »So, dann wollen wir mal in mein Büro gehen und uns in Ruhe unterhalten. Die Polizei wird sich freuen, dass ich jemanden von dem verdammten Diebesgesindel zu fassen gekriegt habe.«
    »Ich dachte, fluchen ist in Kirchen nicht erlaubt!«
    Erleichterung durchflutete Nele, als sie Flavios Stimme hörte.
    Sie drehte sich zur Seite, konnte ihn allerdings nirgends sehen.
    »Wo steckst du, Bürschchen?« Suchend blickte der Küster sich um.
    In diesem Moment drängte sich eine Touristengruppe in die Kirche, die von einer energischen älteren Dame mit roter Strickjacke angeführt wurde. Entschlossen eilte sie auf den Küster zu, als dieser mit einem Mal zusammenzuckte und einen markerschütternden Schrei ausstieß.
    »Nix wie weg hier!« Flavio tauchte unter einer der Bänke auf, griff Neles Hand und zog sie hinter sich her an den überrascht dreinblickenden Touristen vorbei auf den Kirchenvorplatz. Erst als er um mehrere Ecken gebogen war, blieb er stehen.
    »Danke«, keuchte Nele. »Wie auch immer du das angestellt hast.«
    Flavio grinste über das ganze Gesicht. »Ich habe den Kerl ins Bein gebissen! Aber bevor du dich ärgerst: Er hat überhaupt nicht geschmeckt.«

11
    Nachdem Nele mehrmals vergeblich versucht hatte, Jan auf dem Handy anzurufen, hatten sie beschlossen, mit dem Bus zurück nach Mauerbach zu fahren und im Kloster nach ihm zu suchen.
    »Verschlossen!« Flavio stutzte. »Hier ist Jan also nicht mehr. Magst du dir die Kartause trotzdem anschauen?«
    Wo steckte Jan nur? Nele war verunsichert. Es passte so gar nicht zu ihm, dass er sein Handy ausgeschaltet hatte. Aber wahrscheinlich wollte er nur nicht bei der Arbeit gestört werden. Also konnte sie sich jetzt auch die Kartause angucken. Sie nickte Flavio zu und konnte es mit einem Mal gar nicht mehr erwarten zu sehen, was sich hinter den hohen Mauern verbarg.
    Flavio holte schnell den Schlüssel von seinem Vater und mit vereinten Kräften öffneten sie das Tor. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger Innenhof.
    Nele blieb wie angewurzelt stehen und ließ ihren Blick über die riesigen Fenster wandern, die im Sonnenlicht wie übergroße Spiegel wirkten.
    »Komm, ich zeige dir, wo die Mönche gelebt haben«, sagte Flavio und führte sie über den breiten Kiesweg zum gegenüberliegenden Tor.
    Wie das Leben der Mönche innerhalb dieser Mauern wohl ausgesehen haben mochte, schoss es Nele durch den Kopf.
    Die kühle Luft im Inneren des Klosters überraschte sie. Obwohl der breite Gang von Licht durchflutet war, hielten die dicken Mauern die heiße Sommerluft draußen.
    »Die Zellen werden gerade

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