Holz und Elfenbein
Wenn sie so weitermachten, würden sie vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Er sah schon wie Federico zur nächsten Frage ansetzte.
Auf jeden Fall würde Alexis so auch nicht weiterüben können. Nicht, wenn Federico keine Armlänge von ihm entfernt saß. Beinahe berührten sich ihre Beine und ehe es sich Alexis versah hatte er bereits nach Federicos Hand gegriffen. »Hast du eigentlich noch Schmerzen?«, fragte er und Federico war von diesem einigermaßen abrupten Themenwechsel doch etwas überrumpelt.
»Nein. Es ist besser geworden.«
Oh Wunder! Federico zog seine Hand nicht zurück und blickte nur fasziniert auf ihre Finger, die sich wie von selbst ineinander verschränkten.
»Warum bist du hierher gekommen«, raunte Alexis und rückte noch etwas weiter nach rechts, näher an Federico heran. Endlich blickte ihm Federico offen in die Augen. Er holte Luft, schien etwas sagen zu wollen, dann schloss er den Mund wieder.
»Ich bin verwirrt«, bekannte er ebenso leise wie Alexis nach einer kurzen Pause. »Was hast du nur mit mir angestellt?«, fragte er und Alexis glaubte kaum, was er da vernahm. Hatte es das zu bedeuten, wie er es verstand? Oder interpretierte er zu viel in diese Worte hinein?
»Claude meinte, du wolltest vielleicht mit mir...«, Federico wandte wieder den Kopf ab, der Rest des Satzes ging in einem unhörbaren Gemurmel unter.
Also doch, Claude hatte mit Federico geredet! Jetzt konnte Alexis nur noch hoffen, dass dieses Gespräch zu seinen Gunsten ausgefallen war. Doch war Federico nun hier, das mochte ja nicht so schlecht sein. Alexis hob mit der freien Hand Federicos Kinn hoch. Große, weit aufgerissene grüne Augen starrten ihn an.
»Falls Claude meinte, ich hätte mit dir etwas Ernstes im Sinn, dann muss ich ihm recht geben. Ich will dich, seit ich dich das erste Mal gesehen habe.«
Federico antwortete nichts auf dieses schonungslos offene Geständnis, wurde aber ein bisschen blass um die Nase.
»Schockiert?«
»Ja und nein«, bekannte Federico freimütig und Alexis fühlte sich auf einmal selbst hin und hergerissen zwischen Euphorie und Angst. Höchsten Glücksgefühlen und schwärzesten Befürchtungen. Federico rannte zumindest nicht angewidert von ihm davon, wie damals nach ihrem unglücklichen ersten Kuss. Doch wusste Alexis auch nicht was er jetzt davon halten sollte. Er hatte seinen Standpunkt offen dargelegt und hatte er nicht wochenlang mit sich gerungen eben genau dies zu tun?
Mit zitternder Hand fuhr sich Federico erneut durch die Haare. »Können wir gehen?«, fragte er und stand bereits auf.
Alexis nickte. Ja, eine Kirche wäre in der Tat nicht der passende Ort um über dieses Thema zu reden und ganz eindeutig schien es eine Menge zu geben, über das sie reden sollten.
»Gehen wir in ein Café«, schlug Alexis vor als er seine Noten einpackte.
Ungeduldig wippte Federico auf seinen Ballen. »Wenn es dir nichts ausmacht, dann gehen wir zu dir. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe darüber zu reden, wenn«, wieder strich er sich die Haare aus der Stirn und bewegte unruhig die Schultern als ob er eine schlecht sitzende Jacke zurecht rücken müsste, »wenn andere Leute dabei in der Nähe sind.«
»Hey, ganz ruhig Fedri.« Alexis hatte ein Einsehen und legte dem sichtlich nervösen Federico eine Hand auf die Schulter. »Es ist alles okay, mach dich nicht fertig.«
»Hast du ne Ahnung«, kam die geknurrte Antwort doch Federico schien sich zu beruhigen.
Claude hatte also mit allem recht behalten! Alexis Arrowfield war in ihn verschossen! Federico hätte gedacht, dass er jetzt klarer sehen würde, doch das Gegenteil war der Fall. Statt, dass sich seine Verwirrung nun in Wohlgefallen auflösen würde, war er noch unsicherer. Alexis wollte ihn, liebte ihn... aber was jetzt?
Er fühlte sich wie unter Strom, jeglicher Muskel in seinem Körper war angespannt und er wollte sich einfach nicht wieder beruhigen. Früher war Federico für den Verein auf eine Reihe von Fechtturnieren gegangen. Vor den Gefechten hatte er sich genau so ruhelos, voller Adrenalin und Anspannung gefühlt. Damals hatte er dann wenigstens einen Gegner vor sich gehabt, an dem er sich hatte abreagieren können. Doch jetzt staute sich nur alles immer weiter in ihm auf. Selbst sein Herz hämmerte in diesem schonungslos schnellen Rhythmus vor sich hin und dabei spazierten sie nur die Straße entlang. Warum musste diese Kirche auch so weit von der Wohnung weg sein? Federico wollte Alexis alles sagen, seine Gefühle,
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