Holz und Elfenbein
Schluss sehr laut gespielt. Außerdem war er gerade so konzentriert gewesen und jegliche Unterbrechung war jetzt einfach nur störend.
Doch als er sah, wer da zu ihm gekommen war, musste er erst einmal blinzeln, um sich zu vergewissern, dass er nicht an Halluzinationen litt. Wie so oft, wenn er Federico sah, wusste Alexis auch jetzt nicht, was er sagen sollte.
» Salut , ich habe gehört, dass du heute hier bist«, grüßte Federico und lächelte ihm zu.
»Ah, ja«, erwiderte Alexis schwach, der wieder einmal feststellen musste, wie hinreißend Federico aussah, wenn er lächelte. »Ich gebe Unterricht.«
»Ja, ich habe es gehört.« Federico lief einmal um die Orgel herum, die beinahe die gesamte Fläche der Empore für sich beanspruchte. »Beeindruckend«, murmelte er.
Was wollte Federico hier? Er hatte doch sicher nicht so viel Freizeit, dass er einfach mal so Alexis beim Üben überraschen würde? Der spielte aus Verlegenheit mit den Koppeln zu seinen Füßen, ließ sie ein- und ausrasten, so lange bis Federico wieder bei ihm war.
»Das war fantastisch gerade eben.« Federico stand neben der Bank auf der Alexis saß und blickte auf die Noten. Ihm schien auch nicht klar zu sein, was er sagen sollte. Geradezu unbehaglich fuhr sich Federico durch die Haare und lächelte wieder scheu während er ihm einen kurzen Blick von der Seite her zuwarf.
»Nun, es ist ein fantastisches Stück. Vierne hat gewaltige Werke geschrieben«, gab Alexis zu und sie schwiegen. Sollte er jetzt etwas sagen? Aber dies hier war kaum der richtige Ort. Was, wenn sie jemand hörte und...
»Blaue Schuhe?«, unterbrach dann Federico seinen Gedankengang.
Alexis blickte hinab zu seinen Orgelschuhen und musste lachen: »Ja, ich habe aber auch noch ein seriöseres Paar.« Es stimmte schon, das blaue Leder seiner Schuhe war sehr auffällig und knallig.
Er deutete auf den freien Platz neben sich und Federico rutschte auf die Holzbank.
»Sie sind mir noch nie aufgefallen. Hast du sie neu?«, wollte er wissen. Ganz eindeutig hatten es Federico die Schuhe angetan.
»Oh nein. Eigentlich sind sie schon sehr alt. Ich lasse sie immer wieder neu besohlen.« Er wackelte mit dem rechten Fuß. »Das sind Orgelschuhe.«
Federico runzelte die Stirn. »Wirklich? Warum das?«
Er zeigte dem Unwissenden die Vorzüge schmal geschnittener Schuhe anhand einer Pedalübung. »Wenn sie zu breit wären, hätte man keinerlei Kontrolle über das Pedal. Außerdem erleichtern Absätze das Spielen.« Lässig bewältigte er den chromatischen Aufgang vom f zum c‘ mit einem Fuß in dem er die Töne abwechselnd mit dem Absatz und der Spitze des Schuhs spielte. »... und Ledersohlen sind in der Regel den Gummisohlen vorzuziehen«, erklärte Alexis weiter.
»Das wusste ich gar nicht!«, sichtlich fasziniert musterte Federico nun die Register. »Was ist noch anders im Gegensatz zum Klavier? Ich dachte immer, es wären nur kleine Unterschiede. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich brauche keine extra Schuhe zum Spielen.«
»Die Manuale einer Orgel sind in der Regel nicht anschlagsdynamisch, sieht man von einigen Spezialanfertigungen ab. Das heißt Änderungen der Lautstärke erreicht man nur durch die verschiedene Register oder Schweller und nicht durch Änderung des Anschlags wie am Klavier.«
»Die Register sind das hier?«, Federico drückte einen der zahlreichen Kippschalter, die direkt über den Manualen angebracht waren.
Alexis bejahte: »Grundsätzlich lässt sich sagen, dass jede Pfeife einen bestimmten Ton hervorbringt. Verschiedene Pfeifen werden dann zu einem Register zusammengefasst, die ganz bestimmte Klangeigenschaften haben.« Er deutete auf die fraglichen Schalter. »Da gibt es zum Beispiel Rohrflöte, Waldhorn, Trompete, Prinzipal.« Alexis zuckte mit den Schultern. Die Möglichkeiten waren schier unerschöpflich. »Manche Orgeln haben auch solche Kuriositäten wie Schlagzeug und Glockenspiel. Register werden dann wiederum zu Teilwerken zusammengefasst, wie Hauptwerk oder Brustwerk, Rückpositiv und natürlich das Pedal.«
Federico drückte einige Tasten auf dem Manual. »Es ist schwerer als auf dem Klavier«, befand er.
»Das kommt auf die Orgel an. Die Traktur hier ist in der Tat etwas schwerfällig.« Was sollte das? Federico war mit Sicherheit nicht hier, um seinen Horizont über Orgeln zu erweitern! So interessiert Federico auch war, dies hier war doch nur ein Vorwand um Zeit zu schinden. So gern Alexis ihm auch die Feinheiten erklärte.
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