Holz und Elfenbein
Streitfrage zu klären, und konnte schon förmlich den Widerspruch sehen, der in Izumis Gesicht geschrieben war.
»Wie kommen Sie mit den Proben voran?«
Claude wandte sich um, Professor Noblet hatte den Übungsraum betreten und betrachtete missbilligend die Pizzakartons, die alle in der Ecke neben dem Mülleimer gestapelt standen. Anscheinend dachte der Professor, sie hätten sich nur an den Pizzen gütlich getan und ihre Arbeit vergessen.
»Wir kommen gut voran«, Claude stand noch immer vor den 30 Streichern und es war wohl weiter an ihm, die Rolle des Sprechers zu übernehmen. »Wir wären bereit für die Gesamtprobe, allerdings wüssten wir gerne welcher Solopianist engagiert wurde und wann die ersten Proben mit ihm stattfinden. Immerhin ist die Saisoneröffnung schon in sechs Wochen.«
Claude sah einige der Studenten nicken, ja auch ihnen brannte diese Frage auf den Nägeln. Nur hätte sich niemand getraut sie so offen gegenüber ihrem Dirigenten zu stellen.
»Es gibt noch nichts Offizielles.« Noblet hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. »Ich finde das ebenso unbefriedigend wie sie. Ich kann ihnen lediglich sagen, dass ursprünglich Liu Ang hätte spielen sollen. Er hat einen Rückzieher gemacht, bedauerlicherweise sehr kurzfristig. Wir sitzen quasi auf dem Trockenen und es wird recht schwierig einen adäquaten Ersatz zu finden. Sie wissen ja alle, wie ausgebucht die richtig guten Pianisten heutzutage sind. Deshalb würde ich Sie auch bitten Monsieur Debière, dass Sie mit ihren Geigen zunächst die anderen Stücke üben. Sorgen Sie auch dafür, dass die anderen Register dies wissen. Und haben Sie ein Auge auf die Blechbläser, mir scheint die haben mit ihrer neuen Zusammensetzung noch erhebliche Probleme.«
»In Ordnung.« Das war ja durchaus sinnvoll, wie Claude befand. Erst mit Verzögerung begriff er jedoch die Tragweite der soeben gesagten Worte: Er sollte die Proben der Geigen leiten und sich um die anderen Gruppen kümmern! Das hieße ja... »Aber Monsieur Noblet!«
»Sie haben schon richtig verstanden.« Jetzt war es sogar an Professor Noblet zu lächeln über Claudes offenkundiges Erstaunen. »Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke«, erwiderte Claude schwach und sah regungslos zu wie sich die Tür hinter dem Mann schloss.
Er war zum Konzertmeister befördert worden!
Die übrigen Musiker schienen da weniger überrascht zu sein, sie klopften mit ihren Bögen gegen die Notenpulte. Das Pendant zu einem Applaus für Geigenspieler. Für sie war es wohl eine klare Sache gewesen, dass Claude die Nachfolge von Stéphane übernehmen würde. Immer noch sprachlos nahm er ihre Glückwünsche entgegen und er hatte Mühe seine Geigen danach noch zu einer vernünftigen Übungsstunde zu bewegen.
Während der Probe dachte Claude immerwährend daran, ob Stéphane etwas davon gewusst hatte. Oder schlimmer noch, hatte Stéphane bei der Neubesetzung die Finger im Spiel gehabt? Denn so etwas konnte Claude absolut nicht leiden und auf das Gerede, das folgen würde, hatte er auch keinerlei Lust.
Er würde es am Abend erfahren.
Tanya T. Heinrich
Tanya T. Heinrich schreibt seit mehreren Jahren Geschichten aller Genre. Drama, Romantik, Comedy und Fanfiktions sind ihr nicht fremd.
Sie arbeitet mit Vorliebe nachts an ihrem Laptop, spielt selbst Klavier und kann auch schon einmal Stunden vor der Spielkonsole verbringen.
Zur Zeit arbeitet sie an ihrer neuen Geschichte »Con molto sentimento«, eine indirekte Fortsetzung zu »Holz und Elfenbein«.
Auf tanyatheinrich.livejournal.com schreibt sie über ihre Fortschritte, Lesetipps oder auch die »Holz und Elfenbein«-Playlist.
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