Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
italienischen Anarchistengruppe. Die Gruppe hatte in den vergangenen Jahren mehrmals Briefbomben an Bankmanager gesandt, auch an von Bösental. Das Schreiben wurde als echt eingeschätzt, es war mit „Roberto Voerzio Cerequio“ unterschrieben – dem Namen des Weingutes, von dem die todbringende Flasche stammte. Das konnten nur die Attentäter wissen.
Fridolin Albig starb in aller Stille. Seine Mörder hatten keinen Plan, lediglich zwei Vorgaben: Erledigung innerhalb von vierundzwanzig Stunden und – unauffällig.
Sie beschatteten ihn ab Donnerstagmorgen. Während der eine Albig in sein Frühstückslokal folgte und nur zwei Tische neben ihm aß und trank, drang der andere in Albigs Wohnung ein.
Den Tag verbrachte Albig in seinem Büro, seine Sekretärin war vor ihm da und arbeitete noch, als er abends ging. Nach der Arbeit spazierte Albig in der Fußgängerzone von Bad Homburg, war längere Zeit in einer Buchhandlung und kaufte eine Reihe von Büchern, um anschließend in einem italienischen Restaurant zu Abend zu essen. Gegen 22 Uhr war er zu Hause.
Am Nachmittag hatten die zwei Auftragskiller sich darauf geeinigt, Albig nachts in seiner Wohnung zu töten. Von ihrem Auftraggeber hatten sie verschiedene Mittel bekommen, unter anderem eine Giftspritze.
Die Killer warteten bis 1:50 Uhr, das Licht in Albigs Wohnung war schon seit Stunden aus, er sollte also tief und fest schlafen. Sie öffneten die Wohnungstür und hörten ein leises Schnarchen aus dem Schlafzimmer. Albig lag auf der linken Seite, die Decke war verrutscht, sodass der eine die Giftspritze direkt ansetzen und entleeren konnte.
Als die Spitze der Nadel in seinen Körper eindrang, wachte Albig auf. Doch das Gift lähmte sofort die Muskeln, sein Herz setzte nach wenigen Sekunden aus.
Die beiden Männer schauten Albig beim Sterben zu, der eine schrieb eine SMS mit dem Text „FA done“. Der andere prüfte Albigs Puls, es war keiner mehr zu spüren. Er schob Albig die gefalteten Hände unter das Gesicht, drückte ihm sein Kinn auf die Brust, winkelte seine Beine an und deckte ihn sorgfältig zu. In dieser Haltung sollte ihn seine Putzfrau drei Tage später, am Montagmorgen, finden.
Sie rief den Notarzt, der als Erstes sagte: „Endlich mal wieder ein schöner Toter. Friedlich im Schlaf gestorben, mit vierundsechzig zwar noch ein wenig jung, aber besser geht’s nicht.“ Auf den Totenschein schrieb er: „Natürliche Todesursache, Herzversagen.“
Teil 4
12. März 2013 bis Oktober 2013
Schlechte Nachrichten
Die Beule an seinem Hinterkopf war nahezu verschwunden. Er spürte die kleine Wulst, die Narbe der Platzwunde, die er sich bei seinem Sturz zugezogen hatte. Seine Verletzungen hatten schlimmer ausgesehen, als sie tatsächlich waren, er hatte Glück gehabt: die Platzwunde, eine babyfaustgroße Beule am Hinterkopf, eine Gehirnerschütterung, diverse Prellungen und ein Bluterguss am rechten Bein, der vom Knie bis hoch zur Hüfte reichte.
Fünf Tage war er im Krankenhaus gewesen, heute wurde er entlassen. Seine wenigen Sachen hatte er bereits gepackt. Vorhin hatte sich noch mal das Ermittlerteam angemeldet, das ihn in den letzten Tagen mehrmals vernommen hatte. Er wunderte sich darüber, denn nach dem Gespräch gestern Abend hatten sie gesagt, sie seien vorerst fertig. Verstehen konnte er es aber schon, er war schließlich ihr einziger Zeuge.
Sie kamen stets zu zweit, ein Mann und eine Frau, er hatte sie ab und zu in der Kantine des BKA gesehen, jedoch nie mit ihnen geredet. Sie hatten eine Videokamera dabei, mit der sie das Gespräch aufnahmen, und hörten immer sofort auf, wenn er ihnen signalisierte, dass er sich zu erschöpft fühlte, um weiterzureden. So konnte er das Ganze gut steuern, denn er benötigte Zeit, um seine Aussagen zu strukturieren. Sie sollten so weit wie möglich den Tatsachen entsprechen und trotzdem nur das preisgeben, was er preisgeben wollte. Dass er sich nicht erinnern könne, musste er nur einmal sagen.
Gestern Abend war auch Elisabeth Schell bei ihm gewesen und hatte ihm erzählt, dass Jakob morgen, am 13. März, um 14 Uhr, beerdigt wurde. Wann Lisas Beerdigung sein würde, stand bisher nicht fest, ihre Leiche war noch nicht freigegeben.
Elisabeth Schell hatte ihn am Samstagnachmittag, es war sein zweiter Tag im Krankenhaus, besucht. Als er sie sah, hatte er die Tränen nicht zurückhalten können. Sie hatte ihn in den Arm genommen und getröstet wie ein kleines Kind. Dann hatte Elisabeth ihm
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