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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Herzog
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Problem ergab. Es gab auch ein waidmännisches: Woher die vielen Hasen nehmen? Denn dass jeder Botschafter mindestens einmal treffen musste, stand außer Frage. Das gebot schon die Gastfreundschaft.
    In den ersten Jahren fand die Treibjagd in der Börde statt, die Diplomaten reisten mit dem Regierungszug bis Magdeburg. Als dort die Hasen knapp wurden, ging es in den Thüringer Wald. Wir fuhren mit dem Regierungszug bis Erfurt, dann stiegen wir in den Bus.
    Bei den ersten Ausflügen legte man traditionell die Strecke, das heißt die niedergestreckten Hasen wurden nebeneinander gelegt. Das bot die Möglichkeit, die toten Tiere ziemlich leicht zu zählen. Und es geschah, was geschehen musste: Die von den wahnsinnig erfolgreichen Jägern angegebenen Abschusszahlen stimmte nie mit der der toten Hasen überein. Um diese Peinlichkeit nicht offenbar werden zu lassen, wurden fortan die erlegten Langohren im Kreis aufgebahrt, wodurch das Nachzählen erheblich erschwert wurde.
    Meine Mission bestand darin, mich diskret im Hintergrund zu halten, denn für die gastronomische Betreuung sorgte ausgewähltes Personal aus Erfurter Hotels. Dafür hatte die Bezirksleitung der SED zu sorgen wie auch für ausreichend Hasen. Die meisten, das kann ich verraten, lagen bereits in den Kühlhäusern, als wir in Thüringen eintrafen. Sie wurden dann zu den tatsächlich erlegten gepackt, damit die Strecke gewaltig aussah. Ich behielt meinen Chef im Auge, und er wusste, wie er mich zu sich zitieren konnte. In meiner Tasche hatte ich Erfrischungstücher, mit denen er sich die Hände säuberte, und ein spezielles Mundwasser. Er hasste, was verständlich war, Mundgeruch bei anderen, und wollte diesen tunlichst bei sich selbst vermeiden. Denn auf der Jagd, insbesondere nach deren Ende, kam man sich besonders nahe. Weshalb man ja überhaupt zum großen Schießen erschienen war – denn die wenigsten Diplomaten waren Schützen und im Umgang mit Jagdwaffen geübt.
    Das traf auch auf Günter Gaus zu. Dieser war seit 1974 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei , nicht in der DDR, worauf der ehemalige Journalist, im Umgang mit der deutschen Sprache und ihren Feinheiten besser trainiert als mit der Waffe, großen Wert legte. Gaus schätzte Honecker, er zollte ihm nicht zuletzt wegen dessen zehnjähriger Haft unter den Nazis Respekt, und auch Honecker mochte den ehrlichen Hanseaten. Bei der Diplomatenjagd im Februar 1981, seiner letzten, weshalb eine Kamera der ARD dabei war, wurde die Nähe der beiden offenbar. Honecker erkundigte sich: »Wieviel haben Sie?«, darauf Gaus: »Zwei.« Honecker entgegnete kopfschüttelnd: »Und dabei hat man Sie an eine solch’ gute Stelle …« Gaus zweifelnd: »Also, bin nicht sicher … Wieviel haben Sie denn?« Der stolze Staatsratsvorsitzende: »Achtzehn.« Darauf wieder Gaus: »Stoph hat zehn.« Honecker, in einer Mischung aus Unmut und Skepsis: »Nicht möglich.« Der sensible Gaus hatte eine feines Gespür für Zwischentöne. »Hat er mir eben gesagt.«
    Honecker ruderte zurück und ergriff Partei für seinen Jagdgenossen. »Dann stimmt’s, wenn er das sagt«, und um das Ausgangsproblem wieder aufzunehmen, fragte er neuerlich nach der Stelle, an die man Gaus gestellt hatte: »War die nicht gut ausgewählt?« Der wegen möglicher Konsequenzen besorgte Gaus antwortete: »Windig, aber schön, richtig schön, doch.« Nach Honeckers dreifachen »Horrido« wurde das kollektive Jagdglück mit einem angemessenen Schmaus gefeiert. Erich Honeckers Nachbarn im Zelt, keineswegs zufällig: Pjotr Abrassimow und Günter Gaus.
    Neues Heim, neues Glück
    1977 bezog unsere vierköpfige Familie eine Vierraumwohnung im Prenzlauer Berg. Hundert Quadratmeter im zehnten Stock – der helle Wahnsinn. Erstmals hatte jedes Kind ein eigenes Zimmer. Natürlich war die Miete extrem hoch, wir zahlten mit 198 Mark das Dreifache, was wir bisher für die Warmmiete ausgegeben hatten. Und wie es bald hieß, hatte man sich verrechnet, wir sollten gar 270 zahlen, wegen der Aussicht und überhaupt. Doch in der DDR gab es ein Gesetz, welches vorschrieb, in welchem Verhältnis die Miete zum Monatseinkommen der Mieter zu stehen habe, und das zwang die kommunale Wohnungsverwaltung, die KWV, uns weniger als zweihundert Mark monatlich abzuknöpfen.
    Unser Neubaugebiet war, wie alle in der DDR errichteten Siedlungen, städtebaulich konzipiert, also mit allen lebensnotwendigen Einrichtungen: mit Kinderkrippe und -garten als Kombi, mit Schule, Kaufhalle und

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