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Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1

Titel: Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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auch Eulenfels seine Tarnung bereits durchschaute.
    Meine Tarnung vielleicht, dachte Will. Aber nicht mein Spiel.
    Und deshalb wiederholte er seine Bitte: »Fragt ihn. Fragt ihn, ob er es für möglich hält, dass ihm ein Junge in seiner eigenen Stadt dermaßen auf der Nase herumtanzen kann.«
    Eulenfels zuckte erschrocken zusammen. Er verschluckte den Gänseschlegel, den er ablecken wollte, und sah ihn fassungslos an.
    »Sagt es Eurem französischen Gast. Ich bitte Euch, Euer Gnaden«, bettelte Will, dessen Hände noch immer von Talleyrand wie mit zwei eisernen Schraubzwingen auf den Tisch gepresst wurden.
    »Zeigt ihm, Eurer Tante, der russischen Zarin und dem französischen König, dass in Berlin nichts ohne Eure Erlaubnis passiert.«
    Ein Blitz fuhr durch die kleinen, aber eiskalten Augen des Geheimen Ministers. Ein Blitz, den mächtige Männer aussenden können, wenn sie sich sicher fühlen oder selbst überschätzen, und mit diesem Blitz flüsterte Eulenfels: »Lasst ihn! Talleyrand, vergreift Euch nicht an etwas, das mir gehört.« Und bevor der Schwarze Baron Wills Hände loslassen konnte, befahl er dem Oberst: »Wir greifen an!«

    Der Oberst gehorchte und schwenkte die Fahne, und als sich der schwarze Adler des Königs drei Mannslängen hoch in die Lüfte erhob, verstummten die Trommeln. Die preußischen Blauröcke traten aus dem Schutz des Waldes heraus und die erste Reihe kniete sich nieder. 250 Gesichter aus blassem Gehorsam. Und 237 stehend dahinter. Unter ihnen der Vater. Rot leuchteten die Locken um sein bleiches Gesicht. Bestimmt dachte er an seine zwei Töchter. Er hatte ihnen versprochen, dass er zurückkehren würde, und jetzt stand er hier. In Stiefeln, die viel zu groß waren und die bei jedem Schritt im morastigen Boden der Lichtung stecken blieben. Die zu kleine Weste war am Rücken aufgeplatzt und die Manschetten des Rocks rutschten ihm über die Hände. Genau wie der Helm. Der rutschte auf seinen Nasenrücken und über die abstehenden Ohren, und die Muskete, die er jetzt hob, hatte er erst gestern bekommen. Genau wie die anderen um ihn herum. Die ganze Nacht hatten sie seitdem schießen geübt und trotzdem glaubte er nicht, dass auch nur einer von ihnen in der Lage war, einen der 50 Russen zu treffen, die sich genauso verzweifelt und ängstlich in nur 30 Metern Entfernung formierten.
    Sie schauten zum Fähnrich und der blickte zum Oberst und obwohl der keine 200 Schritt von ihnen entfernt auf dem Hügel vor dem Zelt stand, sahen sie nur die Spitze der Fahne, die sich wie ein flattriger Schemen aus dem Nebel erhob.
     
    Der dicke Eulenfels grinste genüsslich, rief Will zu sich und hielt ihm den Pokal zum Nachfüllen hin. Zufrieden sah er die zitternden Hände des Jungen, dessen Handgelenke noch immer von Talleyrands Schraubstockgriff schmerzten.
    »Ich hoffe, hier kann jeder seine Niederlage bezahlen«, sagte
er spöttisch, warf eine Handvoll Silbertaler auf den Tisch und hob den Pokal. »Keine Angst, das ist fürs Spiel.« Er lächelte spöttisch. »Nicht für die Schlacht. Mein Einsatz dafür ist meine Stadt. Ich setze Berlin.«
    Er lachte und trank, und während er trank, winkte er seinem Oberst.
     
    Der Fähnrich sah, wie sich die Fahne bewegte. Der Schatten des preußischen Adlers flatterte geisterhaft in die Höhe. Er senkte sich wieder, und als er zum zweiten Mal aus dem Nebel erschien, hob er den Degen.
    »Feuer!«, befahl er.
    Die Musketen krachten und qualmten, und als sich der Rauch verzog, stand nur noch die Hälfte der russischen Gegner. Die anderen lagen tot auf dem Boden oder wälzten sich schreiend auf ihm herum.
    »Laden!«, befahl der Fähnrich. Und als ihre zitternden und von der Kälte längst steif gefrorenen Finger die Vorderlader endlich wieder mit Pulver gefüllt, die Kugeln mit Stoff umwickelt und dann in die übermannshohen Läufe gerammt und gestopft hatten, befahl er: »Marsch! Bewegt eure räudigen Knochen und tötet die Bastarde! Tötet für Preußen!«
    »Nein!«, rief der rothaarige Vater verzweifelt. »Nein! Nicht für Kartoffeln. Gütiger Himmel! Lass mich das nicht für ein paar Kartoffeln tun!«
    Tränen liefen seine Wangen hinab und er wünschte sich sehnlichst, er wäre gelähmt. Doch seine Beine funktionierten ganz prächtig. Sie marschierten, als würden sie einem fremden Willen gehorchen, und sie marschierten auch weiter, als er die zu großen Stiefel im morastigen Boden verlor. Ja, sie marschierten
für seine Töchter, für die Kartoffeln, die sie

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