Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1
freundlich. »Und jetzt verrate uns deinen Plan.«
»Ja, schieß endlich los!«, drängte Jo. Er hielt es vor Ungeduld fast nicht mehr aus. »Wie befreien wir Hannah? Wie kriegen wir den Diskus von Whistle, die Amulette vom Schwarzen Baron, und wie können wir ihnen entkommen, wenn der Fliegende Rochen das schnellste Schiff ist, was es auf den sieben Weltmeeren gibt?«
»Hey«, lachte Will, »immer eins nach dem andern. Also, fangen wir mit dem Schwierigsten an: eine Kanone. Jo, denk an die Katapultaufzüge in Berlin. Die Sandsäcke, die mich vor Eulenfels gerettet haben. Genauso etwas brauchen wir jetzt. Und ein Boot, Moses, ein langes, wendiges Boot. Der Rest ist ganz einfach.« Er beugte sich vor, und während sich der Zeiger der Standuhr auf dem Ziffernblatt vorwärtsbewegte, erklärte er ihnen alles genau.
»Stehlen und schleichen hab ich gelernt. Das ist kein Problem. Das Problem ist die Flucht. Da hat Jo verflixt noch mal recht. Die einzige Chance, die wir hätten, wäre, den Rochen zu stehlen. Doch das geht nicht so einfach. Der wird bewacht. Das haben wir heute erlebt und gesehen. 200 Piraten und Talleyrands Männer. Dazu die Kanonen, das krieg ich nicht hin.« Er machte eine Pause und sah beide an.
»Aber dann …«, sagte Jo. Er hing an Wills Lippen. »… dann haben wir doch jetzt schon verloren.«
»Was meinst du?«, grinste Will und blickte zu Moses.
Der begriff, was er meinte, und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Das ist nicht dein Ernst. Das willst du nicht tun!«
»Aber was?«, fragte Jo. »Was will er nicht tun?«
»Er lässt sich erwischen«, antwortete Moses ungläubig.
»Wie bitte, was?«, fragte Jo geschockt.
»Ich lass mich erwischen«, grinste Will amüsiert. »Seid ihr dabei? Dann schwören wir uns jetzt ewige Treue.« Er hob seine Hand und Moses schlug ein: »Auf die Rose der Aweiku.«
»Und auf das verheißene Land!«, rief Jo begeistert.
Will umfasste die Hände der beiden. »Ja, und auf den größten Schatz, den es gibt«, sagte er lachend. Dann war es still.
»Schatz?«, fragte Jo.
»Ja, Schatz«, wiederholte Will. »Ich bin ein Pirat. Das hat Moses gesagt. Und Piraten, die haben nun mal einen Beruf: Die klauen oder suchen verflixt noch mal Schätze.«
Dann begriff er es auch. Im Wirtshaus war es still. Der Kampf hatte aufgehört und jeden Moment konnte sich die Klappe der Standuhr öffnen. Dann stünde ein fieser Kerl, vielleicht ein Troll, in der Öffnung und würde versuchen, ihnen ihr kleines Geheimnis mit der Schlagkraft eines Schinkens zu entlocken. Oder er würde sie packen und an Whistle verkaufen. Pirat war Pirat. Das wusste er jetzt. Doch es blieb still, und als Will langsam die Klappe der Standuhr aufschob, um einen Blick in den Gastraum zu wagen, fiel der letzte Pirat, der Troll mit dem Schinken, gerade ohnmächtig um.
»Schatz«, grinste Will. »Ich sag verflixt noch mal Schatz! Schatz! Schatz! Schatz! Schatz!« Und als sich wirklich niemand mehr rührte, krabbelte er aus der Uhr.
»Kommt!«, zischte er. »Die Luft ist rein.« Und dann führte er Moses und Jo an den schnarchenden und bewusstlosen Kör- pern vorbei die Stiegen hinauf ans Licht und auf das Deck der mit Algen und Muscheln bewachsenen Schaluppe, die hier bestimmt
schon seit 40 Jahren - seit den Kriegen um die fünf Türme - vor Anker lag.
»Schatz«, summte Will, »ich such einen Schatz aus Silber und Gold.« Er grinste vergnügt. Es machte ihm Spaß, Jo und Moses zu ärgern, die bei jedem seiner Worte herumfuhren, als stünde der Teufel hinter ihnen. »Und wenn ich doch eine Schatzkarte hätte, Schatzkarte, Schatzkarte …«
Da sprang ein koboldartiges Wesen aus einer Rolle aufgewickelten Taus, zeigte auf Moses und rief aufgeregt: »Jetzt weiß ich, woher ich dich kenne, Kahiki. Du hast uns verraten! Du hast uns auf dieser räudigen Insel zurückgelassen.«
Der Kerl mit der algenbewachsenen Glatze packte Jo, umarmte den Jungen und flüsterte ihm speichelnd ins Ohr: »Auf dieser Insel der Kannibalen. Er hat uns dahin gelockt. Glaubt ihm kein Wort. Auch wenn er es schwört.«
Er ließ Jo wieder los und schnappte sich Will. »Los! Schick ihn zum Teufel. Denn dort kommt er her. Ich flehe dich an! Ich warne dich, hörst du! Auch wenn er es schwört!«
Er wollte Will schütteln, doch er kam nicht dazu, denn in diesem Moment zerbrach ein Tonkrug auf seiner Glatze. Der Kerl verdrehte die Augen. Er sackte zusammen, und Moses, der noch den Henkel des Kruges in seiner Hand hielt, spürte
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