Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
haben könnte.«
»Wir haben nicht genug Beweismaterial«, warnte Chou ihn. »Was wir haben, erinnert an eine Leerstelle in einer Skulptur – sie hilft die Darstellung zu definieren und ist in sich doch nur ein Nichts. Jeder gute Rechtsanwalt würde uns so laut auslachen, dass wir aus dem Gerichtssaal fliehen.«
»Was tun wir also als Nächstes?«
»Wir essen zu Abend.« Chou klopfte ihm auf den Arm. »Sonst quält Sie später der Hunger. Wir planen beim Essen.« Justin nickte. »Dann lassen Sie uns gehen. Suchen Sie uns ein Lokal, wo wir keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«
»So ein Lokal kenne ich«, versprach Chou.
»Ein Schuppen für Meisterspione?«, versuchte Justin zu scherzen, aber seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren flau.
»So was Ähnliches. Ich dachte an meine Wohnung. Ich bin kein schlechter Koch.«
»Dann lassen Sie uns gehen.«
Sie räumten sowohl die Teile des zerstörten als auch des unbeschädigten Skis beiseite, bevor sie gingen.
»Viel haben wir nicht gefunden«, sagte Chou mit einem letzten Blick in den Raum, bevor er das Licht löschte und die Tür schloss. »Aber es ist ein Anfang.«
In der Suite eines Hotels, das so diskret war, dass nur wenige von seiner Existenz wussten, schaute sich Marvin Seltman mit Jean Marrou die Übertragung der ersten Nacht von König Rogers Totenwache an.
»Ich kann gar nicht hinsehen!« Seltman fauchte fast vor Verachtung. »Die meisten von ihnen haben dem König offen widersprochen, viele von ihnen haben wahrscheinlich sogar insgeheim darauf angestoßen, als sie von seinem Tod hörten, aber da weinen sie, als müssten sie ihren besten Freund zu Grabe tragen.«
Jean Marrou drehte ihr blindes Gesicht dem Bildschirm zu. Ein kleines Implantat unter ihrem Ohr gestattete ihr, einen besonders detailliert beschreibenden Kommentar zu empfangen. Aus der Schilderung erfuhr sie, welche illustren Persönlichkeiten König Roger III. von Manticore die letzte Ehre erwiesen.
Dieser Abend gehörte dem Hochadel. Die neue Königin und ihre Familie waren anwesend, um die Peers zu begrüßen und ihre Beileidsbekundungen entgegenzunehmen. Am nächsten Tag würde man den niederen Adel und wichtige Bürgerliche empfangen – einschließlich der gewählten Angehörigen des Unterhauses.
»Ich möchte wissen, ob die Königin auch morgen Abend anwesend ist, wenn wir kommen«, sagte sie.
»Sagen Sie nur nicht, Sie können es nicht erwarten, sie kennen zu lernen!«, fauchte Seltman sie an.
»Ich kenne sie bereits«, entgegnete Marrou. »Sie kam mir wie ein nettes Mädchen vor. Nein, mir geht es nicht darum, Prominenten vorgestellt zu werden. Ich sorge mich wegen ihrer Baumkatze.«
»Ihrer Baumkatze ?« Seltman sprach das Wort aus, als glaubte er, nicht richtig gehört zu haben.
»Studien zeigen, dass sie eine bemerkenswerte telempathische Wahrnehmung besitzen. Zweifellos ist sie bei den Menschen, an die sie sich gebunden haben, am stärksten, aber wie ich es verstehe, können sie auch andere Personen ›empfangen‹.«
»Und?«
»Und ich habe mich gefragt, ob Königin Elisabeths Katze vielleicht in unseren Gedanken lesen kann – und erfährt, was wir getan haben.«
»Baumkatzen sind Empathen, keine Telepathen«, verbesserte Seltman sie. »Sie nehmen vage Gefühle wahr, keine Gedanken. Jede Baumkatze wird vom Gefühlsschwall der Menschenmenge überwältigt sein, und darin muss Feindseligkeit untergehen, die wir unwillkürlich empfinden.«
»Das hoffe ich sehr.«
»Außerdem«, fügte Seltman hinzu, »empfinde ich gegenüber unserer kleinen Königin überhaupt keine Feindseligkeit, sondern nur größte Zuneigung. Wenn unser Plan funktioniert, ist sie unsere Fahrkarte zum Aufstieg.«
»Und zum Schutz des Sternenkönigreichs gegen nachteiligen Einfluss von Außen«, sagte Marrou hölzern.
»Genau, Jean, ganz genau«, beruhigte Seltman sie. »Die anderen müssten bald eintreffen. Ich bin gespannt, welche Gerüchte ihnen zu Ohren gekommen sind. Die Königin soll morgen ihren Kandidaten für die Regentschaft nominieren, aber Paderweski ist recht ausgebufft. Sie wird dafür gesorgt haben, dass einige Gerüchte durchsickern, Gerüchte, die sie ausgesucht hat, sodass der Palast bereits Antworten und Reaktionen darauf in petto hält.«
Marrou berührte ihr Implantat. »Wir werden es bald erfahren. Earl Howell ist gerade erst aufgebrochen. Paula müsste schon unterwegs sein.«
»Im Rang steht sie nicht hoch genug für die kleine Zusammenkunft heute Abend«,
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