Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
besonders, wenn es mir gelingt zu erscheinen, solange Ihre Majestät noch anwesend ist.«
»Die Königin wird nicht den ganzen Tag dort sein?«, fragte Gwinner.
»Nein. Der Nachrichtensprecher hat angemerkt, dass sie das über Gebühr erschöpfen würde. Statt dessen werden sich die Angehörigen der königlichen Familie abwechseln. Ich glaube, auch die Henkes übernehmen einen Teil dieser Pflicht.«
»Heute Abend waren sie alle da«, warf Howell ein. »Lord Calvin Henke und Justin Zyrr hielten sich immer in der Nähe Ihrer Majestät auf. Die Ehrenwerte Michelle wich nicht von der Seite des jungen Kronprinzen.«
»Das Haus Winton und seine Nebenlinien haben immer zusammengehalten«, sagte Seltman. »Obwohl ich nicht Jeans analytische Ader besitze, vermute ich, dass der nächste Kandidat der Königin ein Familienmitglied sein wird. Paula, Sie sollten dafür sorgen, dass man das allgemein für völlig unannehmbar hält. Beeinflussen Sie ein wenig die öffentliche Meinung!«
»Ich tue, was ich kann«, versprach sie. »Earl Howell darf nichts dergleichen verlauten lassen. Es würde zu sehr nach Eigennutz aussehen.«
Jean Marrou erhob sich und stützte sich leicht auf die Sessellehne. »Wenn wir mit der heutigen Diskussion fertig sind, begebe ich mich in mein Hotel. Wenn ich mich zu spät bei meinen Mann melde, wundert er sich, weshalb ich so lange unterwegs bin, und ruft mich an.«
»Sie können ihn von hier aus anrufen«, bot Seltman ihr an.
»Nein, ich fühle mich in vertrauter Umgebung wohler.« Sie lächelte. »Und wenn ich während der Totenwache Ihrer Majestät eintreffen soll, muss ich sehr früh aufstehen, falls ich vorher noch Erkundigungen einziehen will.«
»Dann gute Nacht«, sagte Seltman.
Howell erhob sich mit der instinktiven Höflichkeit seines Rangs und brachte sie zur Tür.
Tief in eigene Gedanken versunken, schaltete Jean Marrou den kleinen Computer ab, der regelmäßig die Umgebung abtastete und ihr meldete, wer anwesend war. Selbst wenn sie nicht abgelenkt gewesen wäre, hätte sie den Wachtposten vielleicht nicht bemerkt, der ihr die Türe aufhielt. Und vermutlich hätte sie auch den Vergleich mit den Archivdaten nicht durchgeführt, der ihr verraten haben würde, dass sie dem Mann schon zuvor auf dem Besitz des Earls von North Hollow begegnet war.
Wie allseits erwartet, wurde Lord Jacob Wundt nicht als Regent für die junge Königin Elisabeth III. bestätigt.
Nach hitziger Debatte wurde abgestimmt, dann übersandte ihr das Parlament seine bedauernde Ablehnung.
»Wir warten bis morgen, bevor wir Tante Caitrin als unsere nächste Wahl benennen«, sagte Elizabeth zu Dame Eliska und der Königinmutter. »Dann haben die Auguren und Politikos genügend Zeit für Mutmaßungen.«
»Soll ich Hinweise ausstreuen?«, fragte Paderweski.
»Nein«, antwortete Elizabeth entschieden. »Ich glaube nicht. Sagen Sie nur, ich bedauerte den Beschluss des Parlaments und müsse mich mit den Einwänden gegen Lord Wundt befassen, bevor ich meinen nächsten Kandidaten nominierte.«
»Beißende Säure, Beth«, bemerkte Königinmutter Angelique. »Dein Vater wäre stolz auf dich.«
»Danke«, sagte Elizabeth grinsend. »Nun aber sieht mein Terminplan doch wohl einige Stunden vor, die ich mit Justin verbringen darf. Wenn Sie mich also entschuldigen würden?«
»Selbstverständlich, Euer Majestät«, entgegnete Dame Eliska und verbarg ein sanftes Lächeln.
»Viel Spaß, Liebes«, fügte die Königinmutter hinzu. »Und richte Justin meine Grüße aus.«
Elizabeth eilte zu ihren Räumen im King Michael’s Tower, während Ariel neben ihr her flitzte. Justin erwartete sie mit ernstem Gesicht. Nachdem sie sich umarmt hatten, drückte Elizabeth ihn in einen Sessel und setzte sich auf seinen Schoß.
»Sag es schon, Justin«, bat sie. »Ich brauche nicht so empfänglich zu sein wie Ariel, um zu merken, dass du etwas herausgefunden hast – und dass es dir nicht gefällt.«
Justin holte tief Luft und sagte:
»Ich habe jeden Grund anzunehmen, dass du mit deiner Vermutung, der König sei ermordet worden, Recht hattest.«
Knapp und prägnant, als legte er ihr einige Forschungsergebnisse vor, berichtete er von seinem Besuch auf den Indigo Salt Fiats, seinem Treffen mit Daniel Chou und ihren Schlussfolgerungen. Nachdem er fertig war, glitzerten in Elizabeths Augen die Tränen.
»Ich habe es gewusst«, flüsterte sie, »aber ich wollte so sehr, dass ich mich irre.«
»Den Indizien zufolge, die wir gefunden
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