Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
jemanden brauchten, der sich um den reibungslosen Tagesablauf kümmerte, während sie sich selbst den zahllosen und nicht enden wollenden Entschlüssen und Ermessensentscheidungen widmeten, die ihre Arbeit ihnen abverlangte.
Und die Befehlshaber, die vielleicht ein bisschen zur Geistesabwesenheit neigen, brauchen einen Betreuer noch dringender als alle anderen , gab sie zu.
»Der Admiral und ich müssen einiges besprechen, Sly«, sagte sie zu Callahan. »Glauben Sie, Sie finden für uns inzwischen einen Happen zu essen?«
»Aber klar, Ma'am«, antwortete der Steward. »Wie üppig hätten Sie's denn gern?« Sie sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an, und er zuckte die Achseln. »Lieutenant Baker hat mich wegen der Planänderung schon angerufen«, erklärte er. »So, wie ich ihn verstanden habe, wird das Abendessen um eine Stunde verschoben und die Cocktails auf danach. Deshalb hab ich mich gefragt, ob der Admiral und Sie zum Überbrücken vielleicht gern einen Imbiss hätten oder lieber auch etwas Reichhaltigeres.«
»Hm.« Foraker runzelte die Stirn, dann sah sie Theisman an. »Admiral?«
»Ich laufe noch immer unter Nouveau Pariser Zeit«, antwortete der Minister. »Und das heißt, mein Mittagessen ist jetzt seit zwo Stunden überfällig. Deshalb klingt ›etwas Reichhaltigeres‹ genau nach dem, was ich gern hätte.«
»Haben Sie gehört, Sly?«
»Aber sicher, Ma'am.«
»Dann richten Sie sich danach«, befahl sie ihm grinsend, und er verneigte sich leicht und zog sich in seine Pantry zurück.
Sie blickte ihm nach, dann wandte sie sich Theisman zu und bot ihm einen bequemen Sessel an.
»Bitte setzen Sie sich, Admiral.«
»Danke sehr.«
Theisman ließ sich in den Sessel nieder, auf den sie deutete, und blickte sich nachdenklich um. Es war sein erster Besuch in Forakers Kajüte an Bord ihres Flaggschiffs, und er war beeindruckt, mit welch schlichtem Mobiliar sie sich umgab. Immerhin schien sie ihre Aversion dagegen, sich zu ›verwöhnen‹, zumindest so weit überwunden zu haben, dass sie elektrisch betriebene Sessel angeschafft hatte. Und die Bar in der Ecke des geräumigen Zimmers wirkte vielversprechend. Davon abgesehen beschränkte sie sich offenbar auf die von der Navy ausgegebenen Teppiche und Möbel, und die Hand voll Kunstwerke, die an den Schotten hingen, waren, obschon hübsch anzusehen, keineswegs teuer gewesen. Der Raum passte daher gut zu der Frau, die Theisman zur Leiterin des Projekts Schlupfloch erkoren hatte, und er freute sich zu sehen, dass Shannon Foraker trotz der Macht und der Autorität, über die sie nun verfügte, noch immer auf einer Linie mit ihm war.
In dieser Hinsicht hatten ihn einige der von ihm berufenen Flaggoffiziere enttäuscht, indem sie der Versuchung nachgegeben hatten, sich als die neuen Herren der neuen Republikanischen Navy zu betrachten statt als deren Verwalter und Diener. Manche dieser Offiziere hatten auf seine feinen Andeutungen reagiert und sich neu orientiert; die übrigen waren still, aber mit fester Hand auf Posten abgeschoben worden, wo sie ihm mit ihrem unleugbaren Können noch immer nützten, aber nicht mehr in der Lage waren, Theismans Navy ihren Stempel aufzudrücken.
»Sagen Sie mir«, sprach er, indem er den Blick auf Foraker richtete, die ihm gegenüber Platz nahm, »warum nennen Sie Captain Anders ›Five‹?«
»Habe nicht die leiseste Idee«, antwortete Foraker. »Als ich begann, ihn mit William anzureden, erklärte er mir höflich, aber bestimmt, dass er mit ›Five‹ angesprochen werden möchte. Ich bin mir nicht sicher, woher er den Spitznamen hat, aber ich schätze, er ist durch irgendeinen anrüchigen Zwischenfall daran gekommen, als er noch im Unterdeck zu Hause war. Andererseits würde ich ihn sowieso anreden, wie er will, solange er nur seinen Job so gut macht, wie er es tut.«
»Damit kann ich leben«, erwiderte Theisman lachend, dann wurde er wieder ernster. »Wissen Sie, sosehr ich das Komitee für Öffentliche Sicherheit auch gehasst und verabscheut habe, ich muss doch zugeben, dass Pierre und seine Kohorten durchaus ein paar gute Dinge zuwege gebracht haben. Zum Beispiel ist es ihnen gelungen, die Wirtschaft endlich wieder auf den richtigen Kurs zu bringen, und sie haben das Offizierskorps aus dem Würgegriff der Legislaturisten befreit. Unter dem alten Regime hätte jemand wie Anders niemals das Offizierspatent erhalten. Und das wäre ein gewaltiger Verlust gewesen.«
Foraker nickte in völligem Einverständnis mit ihm.
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