Honor Harrington 18. Auf Biegen und Brechen
sie schmeckte seine Erschütterung. Sie räumte ihm zwar eine erheblich größere Fehlertoleranz ein als Admiral Kuzak den Schiffen der Dritten Flotte, aber zugleich verlangte sie, dass er von einem Punkt innerhalb der Resonanzzone zu einem auf ihrer Peripherie sprang. Sicherheitsspielraum hin oder her, eine derart präzise Astrogation war nur außerordentlich schwer zu erzielen, denn ganz gleich, was er tat, seine Startkoordinaten unterlagen einer beträchtlichen Unsicherheit.
Doch trotz seiner Erschütterung antwortete er mit klarer Stimme.
»Aye, aye, Ma'am!«
»Harper«, fuhr Honor an die Signalabteilung gewandt fort. »Sofortiges Vorrangsignal an Admiral Kuzak, Kopie an die Admiralität. Signal beginnt: ›Admiral Kuzak, mit meiner Unterstützung können Sie in …« – sie blickte auf das Chronometer, doch es lag nicht in ihrer Macht, die Zeit zu beeinflussen – »fünfzehn Minuten rechnen. Wenn ich die Spanne verringern kann, werde ich es tun.‹ Signal Ende.«
»Aye, aye, Hoheit!«
Honor nickte, setzte sich wieder auf den Kommandosessel und ließ ihn langsam drehen, bis sie das Personal der Flaggbrücke anblickte. Während die Leute begriffen, was der Dritten Flotte bevorstand, egal, was sie nun taten, sah Honor auf ihren Gesichtern die gleiche Angst, die sie empfand, und schmeckte sie in ihrem Geistesleuchten.
Sie starrten zurück, aber sie sahen keine Angst in Honors ruhigem Gesicht. Sie sahen nur Entschlossenheit und Zielstrebigkeit.
»Also, Herrschaften«, sagte sie. »Wir wissen, was wir zu tun haben. Dann wollen wir mal.«
35
Admiral Genevieve Chin, Kommandeurin der Fünften Flotte, stand im Gemurmel der Bereitschaftsmeldungen auf der Flaggbrücke von RHNS Canonnade .
»Wir haben sie, Ma'am!«, verkündete Commander Andrianna Spiropoulo im Überschwang. »Astro hat uns keine fünfzig Millionen Kilometer hinter sie gesetzt – genau an die richtige Stelle!«
»Ich sehe es selbst.« Chin hätte im Widerspruch zu ihrem Operationsoffizier die astrogatorische Leistung bemängeln können, denn sie befanden sich etliche Millionen weiter systemauswärts als geplant. Sie vermutete, dass Lieutenant Commander Julian sie absichtlich etwas entfernter von der Hypergrenze platziert hatte als angewiesen. Spiropoulos Bewertung der taktischen Lage entsprach jedoch genau der ihren, und sie kämpfte sehr darum, sich ihren Überschwang eben nicht in der Stimme anhören zu lassen.
Sie wusste allerdings, dass sie damit keinen hundertprozentigen Erfolg hatte.
Nun, dann vielleicht nicht , dachte sie. Und wenn schon, ich habe etwas Genugtuung verdient. Das haben wir alle, nachdem sie uns im letzten Krieg so fertiggemacht haben. Aber mir bedeutet es noch ein wenig mehr.
»Also schön, Andrianna«, sagte sie und wandte dem Plot und den Icons der manticoranischen Wallschiffe den Rücken zu, deren Crews gerade begriffen, dass sie geradewegs in eine Falle gelaufen waren, »wir haben nicht viel Zeit, ehe sie aus unserer Reichweite sind. Fangen wir an, die Gondeln auszusetzen.«
»Aye, Ma'am!«
Spiropoulos dunkle Augen funkelten, und Chin sah Captain Nicodeme Sabourin an. Ihr Stabschef begegnete dem Blick, und dann, ohne dass die Besatzung der Flaggbrücke es mitbekam, nickte er ganz leicht.
Chin erwiderte das Nicken. Sabourin war vermutlich der einzige Angehörige ihres Stabes, der ihr Gefühl der … Vollendung in vollem Maße zu würdigen wusste. Sie war lange unterwegs gewesen, bis sie diesen Punkt erreichte. Sie hatte es überlebt, dass die Legislaturisten sie für das Desaster von Hancock Station gleich zu Beginn des letzten Krieges zum Sündenbock gemacht hatten. Sie hatte lange, trostlose Jahre im Dienst des Komitees für Öffentliche Sicherheit überlebt – nie ganz für vertrauenswürdig gehalten, zu wertvoll, um abserviert zu werden, jedoch stets von ihrem Volkskommissar beobachtet. Sogar Saint-Justs Aufstieg zur absoluten Macht hatte sie überlebt – und das Chaos, das auf seinen Sturz folgte.
Mittlerweile war sie zweimal ›rehabilitiert‹ worden: einmal von Rob Pierres Irren nur deswegen, weil das vorherige Regime sie zum Sündenbock gemacht hatte, und einmal durch die neue Republik wegen der verdammt guten Arbeit, die sie beim Schutz ihres Sektors geleistet hatte, und das, obwohl ihr als Volkskommissar ein psychotischer Sadist zugewiesen worden war.
Diesmal, so glaubte sie wirklich, war die Rehabilitierung auf Dauer. Dennoch, hinsichtlich der Seniorität hatte sie viel Boden
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