Honor Harrington 19. Der Schatten von Saganami
lief.
»Ich habe über Terekhov nachgedacht«, sagte Cortez unvermittelt.
»Aivars Terekhov, Sir?«, fragte Shaw. Während Cortez' vorheriger Dienstzeit als Fünfter Raumlord war er einer von Sir Luciens Adjutanten gewesen, und die Fähigkeit seines Chefs, Namen und Gesichter ohne Zahl im Gedächtnis zu behalten, verwunderte ihn längst nicht mehr. Beeindruckt war er davon gewiss. Er empfand sogar Ehrfurcht. Doch da er zu oft gesehen hatte, wie Cortez seine Leistungen vollbrachte, hatte sich das ungläubige Staunen abgenutzt.
»Ja.« Cortez lehnte sich mit dem Sessel zurück und runzelte die Stirn. »Ich bin mit seinen Befehlen nicht hundertprozentig glücklich.«
»Bei allem schuldigen Respekt, Sir«, sagte Shaw, »ich glaube, das ist genau, was er braucht.«
Manche Personen hätten es für merkwürdig gehalten, dass der Befehlshaber des Bureaus für Personalwesen und sein Stabschef sich die Zeit nahmen, die Verwendung eines einzelnen Captains of the List zu besprechen. Manche Personen hätten es eingedenk der wichtigen Eilentscheidungen, die von diesen beiden Offizieren getroffen werden mussten, vielleicht sogar als Zeitverschwendung bezeichnet.
Doch Sir Lucien Cortez hatte schon zu oft die Hand des Meisters bewiesen, wenn es darum ging, die Laufbahn von herausragenden Offizieren zu fördern, als dass Shaw sich nun darüber gewundert hätte.
»Er hat sich im Gefecht zu gut bewährt«, sagte Cortez. »Und wir können weiß Gott sämtliche erfahrenen Kommandanten brauchen, die wir nur kriegen können!«
»Da stimme ich Ihnen zu, Sir. Aber angesichts dessen, was bei Hyacinth passiert ist .« Er ließ den Satz verklingen, und Cortez verzog das Gesicht.
»Ich weiß über Hyacinth genau Bescheid, Terence. Ich weiß auch, dass sämtliche Orden des Universums Terekhov nicht über den Verlust seines Schiffes oder die Vernichtung eines solch großen Teils seines Geleitzugs hinwegtrösten können. Doch die Psychiater von BuMed haben ihn wieder dienstfähig geschrieben.«
»Ich habe die Beurteilung gelesen, Sir, und ich will die Bewertungen auch gar nicht in Zweifel ziehen. Ich sage nur, dass es, dienstfähig hin oder her, vielleicht ratsam wäre, ihn irgendwo wieder ins aktive Kommando finden zu lassen, wo es etwas ruhiger ist als bei Trevors Stern. Und ein weiterer zu beachtender Punkt wäre seine Erfahrung im Foreign Office.«
»Hm.« Cortez runzelte die Stirn, aber er nickte.
Aivars Terekhov hatte fast dreißig T-Jahre lang den aktiven Dienst in der RMN ausgesetzt und eine diplomatische Laufbahn verfolgt. Achtundzwanzig T-Jahre lang machte er beim Foreign Office Karriere, behielt aber ein Patent als Reserveoffizier. In der Reserve wurde man erheblich langsamer befördert als im aktiven Dienst, und so hatte er erst den Rang eines Lieutenant Commanders erreicht, als er sich wie so viele Reservisten - nach der Schlacht von Hancock zum aktiven Dienst zurückmeldete. Wie bei vielen >Runderneuerten< hatte Cortez' BuPers länger als angemessen gebraucht, um seine brachliegenden Talente zu entdecken und ihn zu den Beförderungen und stärker fordernden Verwendungen zu lenken, die sie verdienten.
Was ihn letzten Endes nach Hyacinth und in die Katastrophe geführt hat, erinnerte sich der Raumlord grimmig.
»Sie wissen, dass Admiral Khumalo erfahrene, kluge Kommandanten brauchen wird, Sir«, fuhr Shaw fort. »Und ich wüsste niemanden, der Terekhov in puncto diplomatischer Erfahrung gleichkäme und verfügbar wäre. Der Captain könnte für die Baronin Medusa und den Admiral von unschätzbarem Wert sein, besonders durch seine Fähigkeit, außerhalb der üblichen Bahnen zu denken. Und offen gesagt, Sie wissen so gut wie ich, dass Admiral Khumalo wenige solche Offiziere hat.«
»Und wie schlecht er darin selbst ist«, fügte Cortez mit einer weiteren Grimasse hinzu. Shaw antwortete nichts. Wie richtig Cortez' Einschätzung auch sein mochte, einem Captain stand es nicht zu, ein Urteil über einen Konteradmiral der Grünen Flagge zu fällen.
»Mir wäre es eigentlich lieber, wenn wir Khumalo ablösen könnten«, fuhr Cortez fort. »Leider wäre das aber ebenso eine politische wie eine militärische Entscheidung. Außerdem, wen sollten wir dann dorthin entsenden? Wenn ich brutal offen bin, hat Talbott einfach nicht die gleiche Priorität wie die Front. Oder auch Silesia.«
Er lehnte sich noch weiter zurück und kniff sich müde in den Nasenrücken.
»Zu viele Feuer«, brummte er, vor allem zu sich selbst. »Zu viele
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