Honor Harrington 7. In Feindes Hand
waren von einem ähnlichen Blau wie die seinen, aber dunkler und viel lebloser, als sie im HD erschienen. Zumindest das überraschte Theisman nicht. Leider. Verschiedene Persönlichkeiten streben aus unterschiedlichen Gründen nach Macht, und Theisman empfand nur geringe Befriedigung, daß er mit seiner Vermutung über Ransoms Gründe richtig gelegen hatte. Nur überraschen konnte es ihn nicht mehr.
Zwei ungeschlachte Leibwächter in Zivilkleidung, nicht in SyS-Uniformen, folgten ihr in sein Büro. Theisman wäre jede Wette eingegangen, daß sie eher wegen ihrer Muskelmasse denn ihrer geistigen Leistungsfähigkeit ausgesucht worden waren, und sie strahlten die Konzentration und die Wildheit gut abgerichteter Rottweiler aus. Wie Ziellaser durchmusterten ihre Augen das Büro. Einer ging wortlos zu der Tür, hinter der sich der Privatwaschraum verbarg, öffnete sie, durchmusterte die makellos saubere Naßzelle, schloß die Tür und kehrte zu seinem Kollegen zurück. Dann postierten sie sich beiderseits vom Eingang, die rechten Arme leicht angewinkelt, als wären sie allzeit bereit, binnen Sekundenbruchteilen in die offene Jacke zu fahren; beide zeigten sie völlig desinteressierte Gesichter.
Noch während die Wächter sich aufstellten, reichte Theisman seiner Besucherin die Hand. »Willkommen im Barnett-System, Bürgerin Committeewoman«, sagte er. »Ich hoffe, Sie haben einen angenehmen Aufenthalt.«
»Vielen Dank, Bürger Admiral.« Ihre kleine Hand fühlte sich überraschend warm und zierlich an, was nicht so recht zu der Frau passen wollte, die den Terror des Komitees für Öffentliche Sicherheit schönfärbte. Unbewußt hatte Theisman damit gerechnet, daß die Hand sich kalt und klauenhaft anfühlte. Ransom lächelte ihn an. Wenn sie damit versuchen wollte, ihn zu bezaubern, so beging sie einen Fehler. In vielerlei Hinsicht war sie eine attraktive Frau, doch ihre leblosen Augen und die kleinen, weißen Zähne, die Ransoms Lächeln entblößte, erinnerten Theisman unwillkürlich an einen thalassischen Neohai.
»Bitte nennen Sie mich doch Bürgerin Minister«, fügte sie hinzu, »denn schließlich bin ich in meiner Funktion als Ministerin für Öffentliche Information hier, und nicht in offizieller Untersuchungsmission. Außerdem ist diese Anrede weniger umständlich als ›Bürgerin Committeewoman‹, finden Sie nicht auch?«
Sei ein braver Junge, mein lieber Tommy, und glaub du nur schön den Quatsch von wegen ›nicht in offizieller Untersuchungsmission‹ , dachte Theisman zynisch.
»Wie Sie wünschen, Bürgerin Minister«, mehr sagte er nicht, und in den kalten Augen glitzerte etwas auf, das Theisman an Belustigung erinnerte. Sie drückte seine Hand ein letztes Mal und gab sie frei.
»Danke«, sagte Ransom und blickte sich im Büro um. Während sie die leicht abgenutzte Pracht der Einrichtung beäugte, hob sie lediglich abschätzig die linke Augenbraue. Als Theisman ihr einen Sessel anbot, setzte sie sich und verbreitete dabei das Fluidum der Nachsichtigkeit. Sie lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander, während Theisman sich auf dem gegenüberstehenden Sessel niederließ, anstatt wieder hinter seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Auf keinen Fall durfte er den Eindruck erwecken, als wolle er sich vor Ransom der eigenen Autorität versichern, das wäre ein gravierender Fehler gewesen.
»Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten, Bürgerin Minister? Zwar hoffe ich, daß Sie Bürger Kommissar LePic, den höchsten Offizieren meines Stabs und mir das Vergnügen bereiten, mit uns in Kürze zu Abend zu speisen, aber wenn ich Ihnen bis dahin etwas bringen lassen kann …«
»Nein, vielen Dank, Bürger Admiral. Danke für das Angebot, aber mir fehlt es an nichts.«
»Ganz wie Sie wünschen«, sagte er wieder und lehnte sich mit höflich-aufmerksamer Miene zurück. In Ransoms Augen flackerte noch mehr Belustigung auf. Theismans erwartungsvolles Schweigen kam für Ransom einer Art defensiven sozialen Judos gleich: Obwohl es höflich war, vor einem Menschen höheren Ranges den Mund zu halten, tat man damit kund, daß man nicht beabsichtige, den ersten Schritt zu tun oder gar als erster ins Fettnäpfchen zu treten – und in einem Gespräch wie diesem konnte selbst ein winziger Fauxpas gravierende Folgen haben. Ransom genoß seine Vorsicht offenbar und ließ das Schweigen ein wenig lasten, bevor sie wieder das Wort ergriff.
»Ich nehme an, Sie fragen sich, weshalb ich gekommen bin, Bürger Admiral«,
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