Honor Harrington 7. In Feindes Hand
– gegenüber der Politik so oft. Die Republik benötigte Männer und Frauen wie Theisman dringend. Sie benötigte ihre Fähigkeiten im Gefecht und brauchte sie vielleicht noch mehr als Gegengewichte – sowohl gegen die reaktionären Elemente, die das alte Regime wiederherstellen wollten, als auch gegen die revolutionären Extremisten, die sich von ihrem Eifer zu Exzessen hinreißen ließen. LePic war verpflichtet, Theismans Mangel an revolutionärer Hingabe zu melden; zu seinem Unbehagen hatte er das wahre Ausmaß dieses Defizits bislang verschwiegen. Dieses Versäumnis mochte sich als Fehler erweisen, andererseits vertraute LePic fest darauf, daß Theismans Treue zur Republik und zu seinem Eid auch weiterhin stärker sein würde als sein unzulängliches politisches Bewußtsein. Bisher war dies jedenfalls immer der Fall gewesen.
Theisman erwiderte LePics Sympathie. Die Gedanken des Volkskommissars konnte er zwar nicht lesen, aber er kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, daß LePic ein wesentlich besserer Mensch war als die meisten seiner Kollegen. Niemals hätte Theisman auf das unbesiegelte Band der Partnerschaft vertraut, um LePic zu Taten zu treiben, die gegen dessen Prinzipien verstießen. Von dieser Einschränkung abgesehen, schätzte Theisman sich glücklich, wenigstens keinen jener Volkskommissare im Nacken zu haben, in denen sich das Mißtrauen eines Paranoikers mit der Überzeugung paarte, daß sein revolutionärer Eifer ihn strategische und operative Fragen mit größerer Kompetenz beurteilen ließen als dreißig Jahre Flottenerfahrung. Außerdem gestattete Theisman die Quasi-Freundschaft mit LePic, seinen Volkskommissar von Zeit zu Zeit ein wenig auf den Arm zu nehmen.
Wenigstens, solange ich nicht den Fehler begehe, ihm etwas unter die Nase zu reiben, was mein Stab und ich gar nicht tun oder wissen sollten – zum Beispiel Megans Warnung vor Ransoms Kommen. Er kann nur bis zu einem gewissen Limit in die andere Richtung schauen.
»Haben wir schon etwas von Bürgerin Committeewoman Ransom gehört?« fragte LePic schließlich. Persönlich fand er den Titel ein wenig sperrig, brachte ihn indessen ohne Stocken über die Lippen.
»Soweit ich weiß, nein, Sir«, antwortete Theisman und blickte den Operationsoffizier an. »Schon ein Signal von der Tepes , Warner?«
»Nur die Routinemeldung an System Control, Bürger Admiral«, sagte Caslet.
»Vielen Dank, Bürger Commander.« LePic nickte Caslet ernst zu. Anfänglich hatte er Vorbehalte gegenüber dem ehemaligen Kreuzerkommandanten gehegt, doch seit seiner Ankunft in Theismans Stab hatte Caslet stets zur vollen Zufriedenheit des Volkskommissars gearbeitet. Wie schade, daß auf ihm ein Schatten der Ungnade übergeordneter Dienststellen lastete. LePic tat jedenfalls sein Bestes, um Caslet in den vertraulichen Berichten zu rehabilitieren. Dergleichen mußte man natürlich langsam und vorsichtig angehen.
Der Volkskommissar wandte sich wieder dem Plot zu. Der Schlachtkreuzer näherte sich langsam. LePic unterdrückte den Drang zu seufzen, während er die Stimmung der Anwesenden auf sich wirken ließ. Es war nicht einfach, die verborgenen Gefühle der erfahrenen Offiziere zu erahnen und zu verstehen, doch im Laufe der letzten sechs Jahre hatte LePic genügend Übung erlangt. Was er zu spüren glaubte, enttäuschte ihn. Er war sich selbst gegenüber zu ehrlich, um seinen gewonnenen Eindruck zu verleugnen. Trotzdem erfüllte ihn mit Traurigkeit, daß die Offiziere der Volksrepublik Haven für eine Angehörige des Komitees für Öffentliche Sicherheit nichts als Ablehnung – wenn nicht sogar offenkundige Furcht und blanken Haß – empfinden sollten.
Sie ist kleiner als ich dachte.
Theisman war selbst erstaunt über die prosaische Natur seiner Beobachtung, die er anstellte, als Cordelia Ransom in den Raum trat. Ein trivialer Gedanke wie dieser erschien ihm … in solch einem Moment unpassend. Dennoch entsprach es der Wahrheit. Als er sich erhob, um die Bürger Committeewoman zu begrüßen, kam ihm der Gedanke, daß sein Erstaunen durchaus etwas Signifikantes über sie aussagen könnte. Wegen ihrer Auftritte im HD hatte er nämlich erwartet, daß sie zumindest zehn Zentimeter größer wäre, und um diesen Eindruck zu erwecken, bedurfte es sorgfältiger Kameraführung und eines gewissenhaften Schnitts. Nichts Kompliziertes, aber auch kein Zufall. Theisman fragte sich, weshalb ihre Körpergröße für sie solche Bedeutung besaß.
Ransoms Augen
Weitere Kostenlose Bücher