Honor Harrington 7. In Feindes Hand
ihn lauerten.«
»Und?« hakte Kuttner ungeduldig nach, als sie verstummte.
»Und sein gegenwärtiger Kurs macht es dem Manticoraner unmöglich, dem Gefecht mit der Nuada auszuweichen – ausgerechnet dem Schiff, über das er die zuverlässigsten Informationen haben muß …« antwortete Zachary langsam und nachdenklich. Ihr Blick verdüsterte sich, und sie wandte sich Luchner zu. »Das ist doch der springende Punkt, oder, Fred?« fragte sie. »Das hat Ihnen das ungute Gefühl bereitet. Warum sollte der Mantie einen Kurs wählen, mit dem er ausgerechnet dem einzigen Schiff eine Angriffschance bieten, das er mit Sicherheit von Anfang an bemerkt hat?«
»Genau, Bürgerin Captain!« Luchners Augen leuchteten auf, als er plötzlich begriff. »Genau das ist es! Wenn er in irgendeiner Ebene um neunzig Grad abgedreht wäre, hätte er die Hypergrenze überschreiten können, bevor die Nuada ihn einholt! Damit wäre er uns allen ausgewichen, es sei denn, er würde noch über ein anderes Schiff stolpern, das wie wir unter Schleichfahrt läuft. Aber so …«
»Aber so hat er das einzige Schiff hinter sich hergelockt, das den Sektor beherrschte, in dem er seine Alpha-Transition ausgeführt hat«, vollendete Zachary tonlos den Satz. Kuttner schwenkte den Kopf mit verwirrtem Gesichtsausdruck zwischen den beiden Offizieren hin und her, und Zachary lehnte sich seufzend zurück. »Der Captain drüben ist ein schlauer Fuchs«, sagte sie. »Wenn man davon absieht, daß er von uns nichts wissen kann, hat er alles richtig gemacht.«
»Würde jemand die Freundlichkeit besitzen, mir zu erklären, wovon Sie reden?« fuhr Kuttner die beiden an, und Zachary drehte den Kopf und blickte ihm ins Gesicht.
»Wenn der Bürger Commander und ich richtig vermuten, Sir, ist es ganz einfach. Sehen Sie …«
»Hyperabdruck!« bellte Bürger Lieutenant Allworth. »Multipler Hyperabdruck Peilung Eins Null Sechs zu Null Null Drei!«
GNS Jason Alvarez führte den Geleitzug JNMTC-76 zurück in den Normalraum. Ein Schiff nach dem anderen brach aus dem Hyperraum hervor, eins nach dem anderen sprenkelte die Leere kurzzeitig mit dem strahlendhell azurblauen Feuer, durch das die Warshawski-Segel, die Hunderte von Kilometern durchmaßen, ihre Transitenergie abstrahlten. Keine funktionierende Sensorantenne im Umkreis von vierzig Lichtminuten hätte diese mächtige Signatur übersehen können, und kaum erstattete die Operationszentrale von VFS Count Tilly der Flaggbrücke Meldung, als Lester Tourville mit inbrünstiger Leidenschaft wie ein Rohrspatz zu schimpfen begann.
Damit war er nicht allein. Jeder einzelne havenitische Kommandant im Adler-System begriff augenblicklich, was die Prince Adrian zuwege gebracht hatte, und als die Kommandanten erkannten, welch gewaltige Prise ihnen da durch die Lappen gegangen war, reagierten sie nicht anders als ihr Admiral. Außer der Nuada – und selbstverständlich der lauernden Katana – änderte jedes Schiff der Kampfgruppe den Kurs, um dem Konvoi hinterherzujagen. Nicht weil irgend jemand noch glaubte, eine realistische Abfangchance zu besitzen, sondern weil niemand diese riesige, glitzernde Beute vor Augen haben und auf eine Verfolgung verzichten konnte.
Captain Thomas Greentree stand neben Lieutenant Commander Terracelli, um auf den größeren, detaillierteren Plot des Taktischen Offiziers blicken zu können. Die Sensoren der Alvarez brauchten einige Minuten, um die Lage vollständig zu erfassen, doch bis dahin …
»Sir!«
Bei dem plötzlichen, völlig uncharakteristischen Ausruf seines Signaloffiziers fuhr Greentree herum und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Lieutenant Chavez ließ ihn gar nicht erst zu Worte kommen. »Wir fangen eine Blitzmeldung mit Vorrangpriorität von Lady Harrington auf, Sir!«
» Blitzmeldung mit Vorrangpriorität?« wiederholte Greentree. »Was besagt sie?«
»Das weiß ich noch nicht genau, Sir. Sie ist überlichtschnell und kommt noch herein. Ich …«
Chavez verstummte und riß die Augen auf. Greentree zwang sich, den Mund zu schließen; es hatte gar keinen Sinn, den Signaloffizier mit Fragen zu behelligen, die der Mann noch gar nicht beantworten konnte. Trotz der zahlreichen Verbesserungen gegenüber dem Prototyp war und blieb die geringe Datenübertragungsrate der größte Nachteil des Gravimpulssenders. Die Sender konnten quasi zeitverlustfrei Gravitationsimpulse über lichtminutenweite Entfernungen schießen, doch die Zeit, die der Aufbau jedes Impulses
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