Honor Harrington 7. In Feindes Hand
verschlang, führte dazu, daß die Sendung eines simplen Hauptsatzes bis zu zwei Minuten dauerte. Deshalb nahm man zu Codegruppen Zuflucht. Fast erschien es wie eine Rückbesinnung auf die alten Tage der Wasser-Navy, als noch Signalflaggen benutzt wurden und eine Flagge sowohl für einen Buchstaben des Alphabets als auch für einen kompletten Satz aus dem Codebuch der Flotte stehen konnte, und …
»Order von der Geschwaderleitung, Captain«, rief Chavez. Der Signaloffizier sprach in einem derart entsetzten Ton, daß Greentree unwillkürlich die Zähne zusammenbiß und ihn mit einer Kopfbewegung anwies fortzufahren.
»Der Konvoi hat auf der Stelle wieder in den Hyperraum einzutreten und nach Clairmont zurückzukehren«, sagte Chavez rauh und monoton. »Sie sollen das Kommando übernehmen, Sir – und Admiral Sorbanne auf Clairmont Station informieren, daß der Feind das Adler-System eingenommen hat.«
»Ich soll das Kommando übernehmen?« hörte Greentree sich fragen, und Chavez nickte.
»Jawohl, Sir. Und den Geleitzug zurück nach Clairmont führen. Unverzüglich, Sir.«
»Aber was ist mit Lady Harrington?« brachte Terracelli hervor. Greentree sah den Taktischen Offizier scharf an, aber er war nicht wirklich erzürnt, denn er stellte sich die gleiche Frage.
»Ich …« Chavez zögerte und warf einen Blick auf sein Display, wo weitere Gruppen von alphanumerischen Zeichen aufgetaucht waren, während er sprach. Er überflog sie und schluckte. »Die Prince Adrian lockt havenitische Schiffe hinter sich her, Captain«, meldete er. »Sie wird unabhängig vom Geschwader nach Clairmont zurückkehren und sich uns dort wieder anschließen. Und …« – seine tonlose Stimme geriet ins Schwanken, und er hob den Blick, um Greentree in die Augen zu sehen – »… der Befehl, unverzüglich in den Hyperraum zu gehen, wird wiederholt, Sir. Zwomal.«
Greentree trat rasch neben den Lieutenant und las selber, was auf dem Display stand. Seine Lippen erinnerten an eine schmale, straffe Linie. Chavez hatte recht, und die Lippen des Flaggkommandanten spannten sich noch fester, während Buchstabe um Buchstabe der letzte Satz auftauchte.
› Diese Order ist bindend, Thomas‹, stand dort, und Greentree ballte die Fäuste. Er blickte auf und suchte Chavez’ Augen. Für einen Augenblick stand er kurz davor, dem Signaloffizier zu befehlen, diesen letzten Satz aus dem Signallog zu tilgen. Doch Greentree war Raumoffizier. Sosehr seine Instinkte auch danach verlangten, Lady Harrington beizustehen, er war Raumoffizier und nicht nur für sich allein verantwortlich, sondern auch für die Schiffe des Geschwaders und vor allem die Zivilisten, die um jeden Preis geschützt werden mußten. Thomas Greentree hatte seine Befehle.
»Sir«, meldete sich Lieutenant Commander Terracelli, »ich orte näher kommende Impellerquellen.«
»Wie viele?«
»Mindestens fünf, Sir. Zwo davon wahrscheinlich Schlachtkreuzer.«
»Wie lange noch?«
»Wenigstens einunddreißig Minuten, bis der erste auf extreme Raketenreichweite heran ist, Sir.«
»Danke.«
Greentree kehrte ihnen den Rücken zu und ging mit gesenktem Kopf zum Kommandosessel. Ächzend ließ er sich hineingleiten. Einunddreißig Minuten: für den Konvoi genügend Zeit, zu entkommen. Befand sich der Geleitzug erst einmal im Hyperraum, würde die Gravwelle, auf der er nach Adler geritten war, eine Beschleunigung von mehreren tausend Gravos gestatten. Wenn der erste Verfolger transistieren konnte, wäre der Geleitzug schon zu weit entfernt, um noch geortet, geschweige denn beschossen werden zu können. Dazu mußte Greentree nur eines tun: seinen Commodore im Stich lassen.
Aber eine andere Wahl habe ich wohl kaum, was? dachte er und schloß nur für einen Moment die Augen. Als er sie wieder aufschlug, blickte er Chavez an.
»Signal an alle, Com«, brachte er heiser hervor. »Der Konvoi tritt in zwo Minuten wieder in den Hyperraum ein.
Adrian«, sagte er, ohne den Asrrogator anzublicken, »berechnen Sie einen Umkehrkurs nach Clairmont und übergeben Sie ihn Lieutenant Chavez, der sie an alle Schiffe des Konvois weiterleitet. Die Santander übernimmt die Vorhut.«
»Da ziehen sie hin«, sagte Luchner voll Bitternis, und Zachary nickte in stiller Zustimmung. Sie teilte das Gefühl der Verbitterung – das um so stärker war, da sie vorhergesehen hatten, was geschehen würde. Gleichzeitig aber empfand sie eine widerwillige Bewunderung für die Tüchtigkeit des manticoranischen
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