Honor Harrington 7. In Feindes Hand
ihr der Sinn danach stand, und das wußten sie beide. Doch Gutsherrin hin, Commodore her, McKeon wollte sie von seinem Kommandodeck wissen, bevor sie in Angriffsreichweite von Bandit-Eins kamen, denn Honor und alle anderen menschlichen Mitglieder ihrer Gruppe hatten ihre Raumanzüge an Bord der Alvarez gelassen.
› Skinsuits‹ , hautenge Raumanzüge der Navy und des Marinecorps, konnte man nicht einfach von der Stange nehmen und anlegen. Diese hochkomplizierte Schutzkleidung mußte vielmehr sorgfältig an ihren Träger angepaßt werden – tatsächlich klingt auch ›angepaßt‹ noch zu beliebig; ein echter Raumanzug mußte für seinen künftigen Träger im Grunde maßgeschneidert werden. Andere Vakuumkleidung wie die schweren Schalenanzüge, die ›Hardsuits‹ , mit denen man im luftleeren Raum Schwerstarbeit leisten konnte, oder die unförmigen Rettungsanzüge, die zur Überlebensausrüstung jedes Schiffes gehörten, paßten praktisch jedem, waren aber nur von begrenztem Nutzen. Ein Schalenanzug war im Grunde ein winziges, unabhängiges Raumfahrzeug, in dem man längere Zeiträume im Weltraum oder in evakuierten Frachträumen arbeiten konnte. Im engen Inneren eines Sternenschiffs war im wahrsten Sinne des Wortes kein Platz für sie, und während man Rettungsanzüge fast überall tragen konnte, handelte es sich dabei um nicht mehr als eine Ballonhülle mit Lebenserhaltungssystem für Notfälle; weniger darauf ausgelegt, ihrem Insassen ein Maximum an Bewegungsfreiheit zu gewähren, sondern dazu ausersehen, sich möglichst simpel handhaben zu lassen – nämlich durch Rettungsmannschaften von außen .
Im Grunde wären Honor und ihre Begleiter an Bord eines Ziviltransporters besser aufgehoben gewesen, denn die interstellaren Bestimmungen schrieben kommerziellen Schiffen vor, genügend Anzüge für alle Passagiere mitzuführen. Aus Kostengründen und der Unmöglichkeit, jedem Passagier in vertretbarem Zeitrahmen einen hautengen Raumanzug anzupassen, stellten die Passagieranzüge ein Mittelding zwischen Skinsuit und Rettungsanzug dar – fast einen Rückfall zu den klobigen Raumanzügen des frühen ersten Jahrhunderts nach der Diaspora, allerdings erheblich platzsparender. Auch Passagieranzüge eigneten sich nicht zum längeren Tragen, und ihren altmodischen Handschuhen fehlten die miniaturisierten Servomechanismen, die durch Biorückkopplung gesteuert wurden und es einem Menschen im Skinsuit ermöglichten, selbst im luftleeren Raum eine Nadel einzufädeln. Dennoch waren Passagieranzüge den Rettungsanzügen bei weitem vorzuziehen.
Leider führte die Prince Adrian nicht einen einzigen davon mit sich. Es gab Rettungsanzüge für Personen, die zufällig gerade von ihrer persönlichen Ausrüstung getrennt waren, wenn ein Notfall eintrat, doch ansonsten ging die Navy davon aus, daß Navyangehörige dafür sorgten, den an sie ausgegebenen Raumanzug jederzeit in der Nähe zu haben. Nach dem Buchstaben des Regiments hätten Honor und ihre Begleiter die Anzüge mitnehmen müssen, weil sie für mehr als zwölf Stunden an Bord der Prince Adrian waren, ganz gleich, wie sehr sie die unbequemen Gepäckstücke auch gestört hätten. Diese Vorschrift wurde jedoch immer wieder mißachtet, ohne daß man weiter darüber nachdachte. So kam es, daß von ihrer ganzen Gruppe nur Nimitz für den Notfall ausgestattet war, denn sein Raumanzug paßte in eine eigens gefertigte Reisetasche.
»Hör zu«, sagte McKeon, noch immer bedacht, sehr leise zu sprechen, »du bist nicht die einzige, die stirbt, wenn wir Druckverlust erleiden.« Er zeigte mit einer Kopfbewegung auf Venizelos und LaFollet, die das Gespräch geflissentlich ignorierten. » Die beiden haben auch keine Anzüge.«
Etwas blitzte in Honors dunklen Augen auf; sie kehrte McKeon den Rücken zu, um ihre beiden Untergebenen ansehen zu können. LaFollet schien ihren Blick zu spüren, denn er sah auf. Gelassen blickte er sie an. Honor wandte sich wieder zu McKeon um.
»Du kämpfst mit schmutzigen Tricks«, sagte sie leise mit stählernem Unterton, und er zuckte die Schultern.
»Verklag mich doch.«
Sie hielt mehrere Sekunden lang seinem Blick stand, dann räusperte sie sich.
»Andy, gehen Sie nach unten zu den anderen. Nehmen Sie Andrew mit«, befahl sie knapp.
Venizelos drehte sich zu ihr um. Sein Gesichtsausdruck verriet, daß er mit dem Befehl gerechnet hatte und ihn nicht besonders mochte.
»Ich nehme an, daß Sie uns begleiten, Mylady«, erwiderte er tonlos.
Honor
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