Honor Harrington 7. In Feindes Hand
als auch Mitgefühl. Diesen Ausdruck kannte Honor sehr gut; nur hatte sie bislang noch nie erdulden müssen, von jemand anderem damit bedacht zu werden.
»Commodore Harrington«, sagte Hewitt förmlich, »gestatten Sie mir, Ihnen Bürger Konteradmiral Tourville vorzustellen.«
»Bürger Konteradmiral.« Honor wandte sich Tourville zu, während Alistair McKeon sich hinter ihr aus der Röhre schwang. Mit halbem Ohr hörte sie, wie er und Hewitt einander mit den gleichen förmlichen Worten vorstellten. Ihre Aufmerksamkeit war indes völlig auf Tourville gerichtet, dessen Emotionen für eine schnelle Analyse zwar zu komplex waren, Honor aber dennoch schwache Hoffnung schenkten. Wie mit Tentakeln schien seine Gefühlslage nach ihr zu greifen: Triumph und Stolz wegen der erbrachten Leistung dominierten sein Gemüt, doch als er ihr seine Hand reichte, spürte Honor sowohl Mitgefühl als auch seine Entschlossenheit zu ehrenhaftem Verhalten.
»Commodore Harrington.« Tourville sah der Gefangenen in die Augen und versuchte, sich ein Bild von ihrer Persönlichkeit zu machen. Honor wich seinem forschenden Blick nicht aus. »Tut mir leid zu hören, daß Ihre Verluste derart hoch gewesen sind«, sagte er. »Unser Sanitätspersonal wird sich um Ihre Verwundeten kümmern, als gehörten sie zu uns – und ich verspreche Ihnen, daß Sie und alle Ihre Leute dem Rang entsprechend behandelt werden.«
»Vielen Dank, Sir«, sagte Honor. Seine Lider zuckten. Am liebsten hätte sie sich getreten – wie konnte sie nur vergessen, daß an Bord havenitischer Schiffe allein die Volkskommissare mit ›Sir‹ oder ›Ma’am‹ angesprochen wurden? Da erst bemerkte sie das Fehlen eines Kommissars im Empfangskomitee, und Neugierde begann an der Schale ihrer Verzweiflung zu knabbern.
»Gern geschehen«, entgegnete Tourville und lächelte andeutungsweise und flüchtig. »Und nicht mehr als angemessen, wenn man bedenkt, wie Sie sich unseren Leuten gegenüber verhalten haben, die Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen mußten, meinen Sie nicht auch?« Als Honor ihn daraufhin erstaunt anblickte, lächelte Tourville erneut, und diesmal geriet es natürlicher. »Wenn ich mich recht entsinne, hat mein Operationsoffizier, Bürgerin Commander Foraker, einige Zeit an Bord Ihres letzten Flaggschiffs verbracht«, erklärte er.
» Shannon Foraker?« fragte Honor, und Tourville nickte.
»Allerdings. Ich habe mit ihr ein langes Gespräch darüber geführt, Commodore. Und während es in Zeiten des Krieges einfach keine Garantien geben kann, hoffe ich doch, daß Sie und Ihre Leute unsere Behandlung so human und anständig finden wie Bürgerin Commander Foraker umgekehrt die Ihre.« Tourville sprach aufrichtig, und dennoch enthielten seine Worte eine unausgesprochene Warnung, die Honor sehr wohl begriff. Doch Tourville blickte ihr wieder unverhohlen in die Augen. »Ganz besonders froh bin ich darüber, daß die Bürgerin Commander mir zusätzliche Kenntnisse zukommen ließ; um genau zu sein, in bezug auf Ihren – Gefährten .« Ohne Honors Blick freizugeben, wies er auf Nimitz. »Wenn ich recht verstanden habe, sind Sie durch ein einzigartiges, inniges Band mit ihm verbunden. Bürgerin Commander Foraker versicherte mir weiterhin, daß er wesentlich intelligenter ist, als man bei seiner geringen Körpergröße normalerweise annehmen würde. Angesichts der Umstände habe ich Anweisung erteilt, daß er für die Dauer Ihres Aufenthalts an Bord der Count Tilly bei Ihnen bleibt, solange er sich anständig benimmt. Selbstverständlich lege ich die Verantwortung für sein Wohlverhalten auf Ihre Schultern, und ich vertraue darauf, daß Sie – und er – mir keinen Anlaß geben, meine Entscheidung zu bereuen.«
»Ich danke Ihnen, Bürger Konteradmiral«, sagte Honor leise. »Ich danke Ihnen sehr. Und ich gebe Ihnen mein Wort, daß Nimitz und ich nichts tun werden, weshalb Sie Ihre Großzügigkeit bedauern müßten.«
Tourville wies mit einer knappen, abwehrenden Geste ihren Dank zurück und wandte sich Alistair McKeon zu. Honor bemerkte, daß sich Nimitz entspannte, denn der Baumkater hatte die Aufrichtigkeit des Bürger Konteradmirals sehr wohl gespürt. Das Nachlassen seiner Anspannung schwächte den emotionalen Rückkopplungseffekt, so daß auch Honors Muskeln sich ein wenig entspannten. Trotzdem blieb sie erheblich wachsamer als Nimitz. Baumkatzen konzentrierten sich auf das Hier und Jetzt; sie handelten der jeweiligen Situation angemessen und schoben alle
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