Honor Harrington 7. In Feindes Hand
höhnisch. Flüsternd stichelte sie und verspottete Honor; und da Honor diese Angst nicht wegzuschließen vermochte, wie es ihr Intellekt von ihr verlangte, schämte sie sich wegen der Schwäche, die sie einfach nicht überwinden konnte.
Am schlimmsten war, daß ihr Intellekt, der einerseits auf der Bezwingung der Furcht bestand, ihr im nächsten Moment mitteilte, daß sie diese Furcht aus gutem Grund empfand; denn Honor fürchtete, daß man sie von Nimitz trennen könnte; daß die Haveniten ihn zwar als fremdartiges, aber gewöhnliches Haustier betrachten und ihn ihr abnehmen könnten. Wenn man ihn am Ende nicht sogar als gefährliches Tier von einer fremden Welt einstufte! Was das zwangsläufig zur Folge haben müßte, ängstigte Honor so sehr, daß sie es nicht wagte, den Gedankengang zu beenden. Gleichzeitig wagte sie aber auch nicht, sich der Überlegung zu entziehen. Aus diesem Grund hatte sie Nimitz im Anzug gelassen und hoffte, daß seine Fähigkeit, den Raumanzug zu bedienen, seine Intelligenz bewies und für jeden offensichtlich machte, daß er mehr war als ›nur ein Tier‹. Außerdem verbargen die Handschuhe des Anzugs die mörderischen, zentimeterlangen, rasiermesserscharfen Krallen an seinen Pfoten. Keiner der Haveniten konnte Nimitz je in Aktion erlebt haben, und deshalb hoffte Honor, die Haveniten über die Tödlichkeit seiner natürlichen Waffen hinwegtäuschen zu können, bis sich in ihrem Bewußtstein verankert hatte, daß Nimitz ein Intelligenzwesen war und sich unter Kontrolle hatte. Dann konnte sie ihn vielleicht doch schützen, wenn es zum Äußersten kam.
Vielleicht … vielleicht aber auch nicht. Wenn es mir nicht gelingt, und wenn jemand versucht, uns zu trennen oder Nimitz etwas anzutun, wenn …
Honor biß fest die Zähne zusammen und entzog sich der erstickenden Panik, die erneut in ihr aufzusteigen drohte. Sie hatte noch andere Pflichten, andere Verantwortungen, denen sie irgendwie genügen mußte … Nimitz hob sanft eine Echthand und streichelte ihr damit über das Gesicht. Er spürte ihr Grauen und begriff den Grund dafür; sie empfand seine ebenso große Angst. Tatsächlich waren die beiden in einer Rückkopplungsschleife gefangen, in der sich ihre gemeinsame Furcht zu immer größerer Stärke aufschaukelte und der Resonanzkatastrophe näherbrachte. Gleichzeitig aber empfand Honor auch Nimitz’ Anteilnahme, seine Liebe und grimmige Ablehnung der Gewissensbisse, die sie sich machte, weil ihre Gedanken schwankten und wie Wasser hin und her schwappten, obwohl sie sich lieber um ihre Leute kümmern sollte, die nur durch ihre Befehle in diese Situation geraten waren.
Doch hatte Nimitz unrecht. Honor mußte ihre Pflicht tun. Irgendwie gelang es ihr, die Beiboothangargalerie mit straffen Schultern und erhobenen Kopf zu betreten. Havenitische Marines mit ausdruckslosen Mienen säumten die Schotte, die Pulsergewehre in Schräghalte nach links, was keine unmittelbare Bedrohung, aber sofortige Kampfbereitschaft bedeutete. Honor verzog bitter den Mund. Wie oft hatte sie eigene Marines in ähnlicher Aufstellung gesehen, die mit aufmerksamen Augen überwachten, wie Haveniten nach der Kapitulation ihres Schiffes in Gefangenschaft gingen. Nun war sie an der Reihe, und das hätte niemals geschehen dürfen! Die Royal Manticoran Navy war es, die Gefangene machte, und kein Manticoraner wurde vom Feind verschleppt! Honor schämte sich, im Dienst der Königin versagt zu haben. Daß das Opfer der Prince Adrian den Geleitzug gerettet hatte, zählte für sie dabei nicht.
Bürger Commander Luchner reichte ihr die Hand, und Honor drückte sie fest. Irgendwie gelang es ihr, ihm die Karikatur eines Lächelns zuzuwerfen, doch die Armseligkeit dieses Ergebnisses verstärkte ihr Schamgefühl nur noch mehr. Niemand konnte behaupten, daß Luchner und seine Kommandantin die Gefangenen schlecht behandelt hätten, und deshalb verdiente der I.O. der Katana mehr als das Totenkopfgrinsen, mit dem Honor ihn bedachte. Mehr hatte sie jedoch nicht anzubieten und hoffte, daß er verstand.
Luchner trat beiseite, und die Marines teilten die alliierten Offiziere in Gruppen auf, die verschiedenen Pinassen zugewiesen wurden. Unter den Augen der Wachsoldaten schwammen sie durch die Zugangsröhren in die Beiboote und nahmen ihre Sitze ein. Dann legten die Pinassen ab, wendeten auf Düsenschub und verließen nacheinander den Hangar. Honor lehnte sich in den unangemessen bequemen Sitz zurück und schloß die Augen. Einmal mehr
Weitere Kostenlose Bücher