Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Gefahren und Probleme beiseite, die nicht unmittelbar akut waren. Und so hatte Nimitz seinen empathischen Sinnen zum Trotz die subtile Einschränkung in Tourvilles Versprechen übersehen. Dessen Versicherung, daß Nimitz und Honor für ›die Dauer Ihres Aufenthalts an Bord der Count Tilly‹ zusammenbleiben dürften, stellte sowohl eine Erlaubnis dar – als auch eine Warnung, daß er für nichts garantieren könne, sobald sie von Bord des Schlachtkreuzers gehen müßten.
Dunkel und bedrohlich lauerte die Zukunft vor ihr, und innerlich erkannte sie bereits den zermalmenden Effekt, den das Gefühl der Hilflosigkeit auf eine Persönlichkeit ausübte, die es gewöhnt war, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Momentan bot sich ihr kein Ausweg, und deshalb rief sie sich still zur Ordnung. Sie wollte sich an Nimitz ein Beispiel nehmen und alles verdrängen, was sie nicht beeinflussen konnte.
Ein Tag nach dem anderen , ermahnte sie sich. So läuft das ab heute: ein Tag nach dem anderen.
Die Tatsachen standen fest, und kaum hatte Honor das Unausweichliche erkannt, als ihre bedrohliche, von Machtlosigkeit geprägte Zukunft versuchte, sie in die Tiefe zu ziehen, und Honor fürchtete sich.
19
Vizeadmiral Sorbanne kam um den Schreibtisch herum und reichte ihrem Besucher die Hand. Ein Blick auf den Tisch genügte, um zu erkennen, daß der Verlust des Adler-Systems die Last auf den Schultern der Befehlshaberin von Clairmont Station noch schwerer gemacht hatte. Diesmal jedoch zeigte Sorbanne nicht die geringste Spur ihrer berüchtigten Reizbarkeit, sondern ihre Miene drückte Mitgefühl aus.
»Captain Greentree«, sagte sie leise und wies auf die kleine Sitzgruppe des Büros. »Bitte nehmen Sie Platz.«
»Vielen Dank, Dame Madeleine.«
Der graysonitische Offizier stattete der Admiralin lediglich einen Höflichkeitsbesuch ab, bevor er die Überreste von Honor Harringtons Geschwader nach Jelzins Stern zurückführen würde. Er sah schrecklich aus. Sein Gesicht war eingefallen, und dunkle Schatten, die an blaue Flecken erinnerten, unterlegten seine Augen. Sein stämmiger Leib wirkte zusammengeschrumpft, seine Uniform eine Nummer zu groß – sie hing an ihm herab und erweckte einen vernachlässigten Eindruck, obwohl sie maßgeschneidert, makellos sauber und frisch gebügelt war. Greentree nahm Platz, doch benahm er sich, als wäre die Bequemlichkeit des Stuhls ein Feind, dem er widerstehen mußte. Steif saß er da, mit zusammengestellten Füßen, und umklammerte die Schirmmütze auf seinem Schoß. Sorbanne glaubte die Anspannung, die er ausstrahlte, fast körperlich zu spüren.
Die Admiralin setzte sich zu ihm und beschloß instinktiv, keinen Kaffee bringen zu lassen. Diesem Mann war nicht nach luxuriösen Erfrischungen zumute, und obwohl er zweifellos höflich sein würde, hätte ihm solch ein Angebot beinahe beleidigend erscheinen müssen, geradezu als Trivialisierung seiner Bedrückung.
»Gewiß ahnen Sie, weshalb ich um Ihren Besuch gebeten habe, Captain«, begann Sorbanne unumwunden. Ihr Versuch, nicht förmlich zu klingen, mußte gescheitert sein, denn sie sah, wie sich Greentrees Gesicht verhärtete. »Ich fürchte, ich habe keine guten Nachrichten für Sie«, fuhr sie fort. Sie mußte sagen, was gesagt werden mußte, auch wenn niemand in diesem Büro es hören wollte. »Selbst mit großzügig bemessener Verspätung hätte die Prince Adrian bereits vor zwo Tagen im Clairmont-System eintreffen müssen. Ich fürchte, uns bleibt keine andere Wahl, als sie ab heute dreizehn Uhr Ortszeit offiziell als überfällig zu erklären – überfällig und verschollen.«
»Ich …« begann Greentree und verstummte. Er senkte den Blick auf seine Mütze, und seine Fingerknöchel wurden weiß, so fest umklammerte er die Kopfbedeckung. Als er tief stöhnte, beugte Sorbanne sich vor und berührte ihn sachte am Knie.
»Nichts davon ist Ihre Schuld, Captain«, sagte sie leise. »Sie haben genau das getan, was Sie tun mußten – ganz genau das, was Lady Harrington von Ihnen verlangt hat. Wir haben Ihre Sensorlogs analysiert – und auch die taktische Situation im Adler-System zum Zeitpunkt Ihrer Transition in den Normalraum. Selbst wenn Sie der Prince Adrian sofort zu Hilfe geeilt wären, hätten Sie ihr Schicksal nicht mehr beeinflussen können.«
»Aber ich hätte es versuchen müssen.« Der qualerfüllte Captain flüsterte so leise, daß Sorbanne sich nicht sicher war, ob er sich seiner Äußerung überhaupt
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