Honor Harrington 7. In Feindes Hand
Angehörige). Jeder Versuch, ihn gegen seinen Willen zurückzubeordern, konnte nur dazu führen, daß er entweder um politisches Asyl in der Solaren Liga bat – oder zu Manticore überlief.
Infolgedessen war Bergren technisch nach wie vor Außenminister der VRH, obwohl er in praktischer Hinsicht nur noch als havenitischer Botschafter für die Solare Liga fungierte. Ob Bergren nun wirklich loyal zum neuen Regime war oder seine Ergebenheit nur vortäuschte, entscheidend war, daß er einen eigenen Stab mit nach Alterde gebracht hatte. Die meisten Stabsangehörigen waren ebenfalls Legislaturisten, und es bestand eine außerordentlich hohe Chance, daß sich einer von ihnen vom manticoranischen Geheimdienst als Agent hatte anwerben lassen; ob dies nun aus Geldgier, Rache, patriotischer Treue zum alten Regime oder jeder Kombination dieser Motive geschehen war, spielte nicht die geringste Rolle. Angesichts der unterschiedlichen Transitzeiten erhielt Manticore jede Meldung über eine Änderung der Beziehungen zwischen der Solaren Liga und dem Sternenkönigreich wenigstens sechs Monate vor dem Komitee für Öffentliche Sicherheit.
»Jedenfalls«, sprach Honor weiter, nachdem der Earl Zeit gehabt hatte, über das Gesagte nachzusinnen, »zeigt die Natur dieser Informationen eindeutig, daß wenigstens eine wichtige Quelle auf Alterde sitzt. Sehen Sie sich nur die Berichte an über die Versuche der Havies, das Technologieembargo zu umgehen.«
»Das habe ich«, entgegnete White Haven säuerlich. Nun nickte Honor nüchtern. Schon vor dem Ausbruch des Krieges hatte die Solare Liga ein Technologietransfer-Embargo über die Kriegführenden verhängt – zum Vorteil des Sternenkönigreichs, das weitaus mehr Forschung betrieb und dessen Bildungssystem dem havenitischen bei weitem überlegen war. Nur der technische Vorsprung hatte es der Allianz ermöglicht, den Krieg gegen die übermächtige Volksrepublik überhaupt so lange durchzuhalten.
Einige Mitgliedssysteme der Liga hatten das Embargo jedoch stets abgelehnt, erinnerte sich White Haven, und das Sternenkönigreich hatte es nur durchsetzen können, weil es durch seine riesige Handelsflotte und den Wurmlochknoten über starken wirtschaftlichen Einfluß verfügte. Trotz ihrer unleugbaren Macht und Ausdehnung war die Liga in mancherlei Hinsicht ein sehr wackliges Gebilde. Auch wenn sie die Solare Liga genannt wurde, war Alterde doch nicht mehr als Erster unter Gleichen, denn jedes Mitgliedssystem erhielt einen Sitz im Ministerrat – und jeder Ratsabgeordnete besaß das Vetorecht. Aus alter Tradition wurde dieses Vetorecht in innenpolitischen Angelegenheiten nur sehr selten ausgeübt, und dafür gab es zwei Gründe: Zum einen wußte jeder Minister der Liga, daß seine oder ihre Politik von einem einzigen Opponenten endgültig abgelehnt werden konnte; daher steuerten sie seit Generationen einen innenpolitischen Kurs, bei dem sie sicher sein konnten, auf breiten Konsens zu treffen. Zweitens stellte jede Mitgliedswelt, die ihr Vetorecht zu häufig benutzte, sehr rasch fest, daß die anderen mit diesem Mittel einseitige Vergeltung üben konnten.
Doch während die Innenpolitik der Liga dadurch immerhin eine gewisse Kohärenz erlangte, war dies bei der Militär- und Außenpolitik längst nicht der Fall, denn an der diplomatischen Front ließ sich ein Konsens nur erheblich mühsamer erzielen. Zum größten Teil lag dies an der schier überwältigenden Macht und Größe der Liga. Selbst die gewaltige Kriegsmaschinerie der Volksrepublik Haven erreichte nicht einmal ein Viertel der solarischen Flottenstärke, und das Industrievolumen der Liga war so groß wie das aller übrigen Sternnationen der Menschen zusammengenommen. Infolgedessen ließ sich eine Ligawelt nur sehr schwer davon überzeugen, daß irgend jemand oder irgend etwas eine ernsthafte Bedrohung für die Liga darstellen könne. Dieses sublime Selbstvertrauen erwies sich immer wieder dann als katastrophal, wenn es galt, einen Konsens für eine gemeinsame Außenpolitik zu finden. Die Folgen der Innenpolitik wirkten sich direkt und spürbar auf den Lebensstandard der Ligabürger aus; das Fehlen einer vernunftbetonten Außenpolitik hingegen nicht, und daher fühlte sich jede Mitgliedswelt im Recht, wenn sie versuchte, ihr eigenwilliges Ideal der ›richtigen‹ Außenpolitik durchzusetzen – oder die ganze Sache insgesamt zu ignorieren. Ministerratsabgeordnete neigten viel eher dazu, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen, um
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