Honor Harrington 7. In Feindes Hand
›gefährliche auswärtige Abenteuer‹ zu verhindern, als ihren Kollegen in innenpolitischen Angelegenheiten Steine in den Weg zu legen.
Darum war die Regierung Cromarty gezwungen gewesen, das Technologieembargo mit rein ökonomischen Druckmitteln durchzusetzen. Dieser Druck war alles andere als subtil gewesen; der Rat hatte erst dann bereitwillig zugehört, als Cromarty drohte, den Manticoranischen Wurmlochknoten für alle registrierten Schiffe der Liga zu schließen und Strafzölle auf jegliches solarische Frachtgut zu erheben, das manticoranischen Raum durchquerte. Der Herzog von Cromarty war sich durchaus bewußt gewesen, daß er sich mit dieser Starker-Mann-Taktik Feinde machte, hatte jedoch am Ende keine andere Möglichkeit mehr gesehen.
Seine Taktik hatte Wirkung gezeigt – und im Endeffekt leider mehr Groll geweckt als vom Premierminister erwartet. Nicht nur, daß viele Regierungschefs innerhalb der Liga den harten Kurs Cromartys als diplomatische wie persönliche Beleidigung verstanden; die manticoranischen Analysten hatten falsch eingeschätzt, wieviel Geld die Volksrepublik für Ligatechnik zu bezahlen bereit wäre. Kaum war der Vorteil des Sternenkönigreichs im Gefecht offenkundig geworden, wartete die unter Finanzknappheit ächzende Volksrepublik mit kaum abzulehnenden Angeboten auf, wenn man ihr nur verkaufte, was sie brauchte. Für die Waffenhändler der Liga wog der Affront, derart lukrative Offerten ablehnen zu müssen, viel schwerer als die manticoranische Verhandlungstaktik. Dem Beweismaterial des ONI zufolge hatte irgend jemand innerhalb der Liga sich ganz offensichtlich dazu durchgerungen, die Beschränkungen des Embargos zu verletzen.
Das Embargoloch schien darüber hinaus in beide Richtungen durchlässig zu sein, denn eine Quelle innerhalb der Liga-Navy berichtete von Experimenten der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die ein eigenes überlichtschnelles Signalsystem für kurze Entfernungen erbringen sollten. Genau dieses streng geheime System verlieh der RMN jedoch einen ihrer größten taktischen Vorteile. Bisher hatten die Solarier diesbezüglich wenig Erfolg, aber sie waren auf dem richtigen Weg; die Methoden, die sie anwandten, und vor allem die grundlegenden Konzepte, auf denen ihre Arbeit fußte, wiesen deutlich darauf hin, daß ihnen geheime Daten zugetragen worden waren. Zwar konnte es durchaus möglich sein, daß ein Agent innerhalb des Militärs die Informationen an die Allianz weitergegeben hatte. Die Haveniten jedoch hatten das System in Aktion erlebt und zweifellos Ortungsmessungen aufgezeichnet. Es lag sogar im Rahmen des Möglichen, daß sie einen Sender erbeutet hatten, der noch soweit intakt war, daß man ihn analysieren konnte. Deshalb war Haven der Hauptverdächtige. Und wenn die Volksrepublik tatsächlich der Liga Informationen zur Verfügung stellte, mit deren Hilfe die Solarier den Gravimpulssender nachbauen konnten, wäre die Übersendung von Militärtechnologie an Haven nicht mehr als fair – sozusagen eine Art Quidproque.
»Technologietransfers sind uns außerdem auch von anderen Quellen bestätigt worden«, erklärte Honor ruhig. »Die Zielerfassungssysteme der havenitischen Raketen haben sich binnen kürzester Zeit enorm verbessert. Bei Kriegsbeginn hatten wir hier einen Vorteil von dreißig bis vierzig Prozent; BuWeaps schätzt, daß unsere gegenwärtige Überlegenheit auf bestenfalls zehn Prozent gesunken ist. Zum Glück haben wir bei der Verbesserung der Störmaßnahmen und der Elektronischen Kampfführung allgemein noch die Nase vorn, so daß die effektive relative Verbesserung der feindlichen Zielgenauigkeit ›nur‹ um die zwanzig Prozent liegt, aber das ist immer noch keine gute Neuigkeit. Und«, ihr Blick verdüsterte sich, »unbestätigten Meldungen zufolge haben die Havies nun ebenfalls Raketengondeln in Dienst gestellt.«
»Wirklich?« fragte White Haven scharf. »Davon habe ich in den Dokumenten des ONI nichts gelesen!«
»Wie ich schon sagte, ist es unbestätigt … hauptsächlich deswegen, weil die Schiffe, die es vermutlich mit havenitischen Raketengondeln zu tun bekamen, nicht zurückgekommen sind, um es zu melden.« Honor machte eine Gebärde des Unbehagens. »Das Board war von der Richtigkeit dieser Meldungen überzeugt, weil sie sich mit anderen, geringfügigen Verbesserungen decken, die wir an der havenitischen Technik beobachtet haben. Die Position des ONI lautet jedoch, daß die Existenz havenitischer Raketengondeln als
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