Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
nein, Mylord. Die Admiralität versucht mit allen Mitteln, die Ausgaben zu begrenzen, und, vom rein militärischen Standpunkt aus betrachtet, besitzen wir noch ein gerüttelt Maß an ungenutzter industrieller Kapazität. Herzog Cromarty und Lord Alexander stehen nun vor dem Problem, dass sie diese Kapazität nicht für die Kriegsanstrengungen nutzen können, ohne den zivilen Sektor schwer einzuschränken, obwohl es dort ebenfalls noch ungenutzte Kapazität gibt. Vielmehr aber geht es in der Politik sehr um Wahrnehmungen, und es lässt sich nicht leugnen, dass wir bald an den Punkt gelangen, wo wir den Zivilisten echte Opfer abverlangen müssen.«
White Haven stutzte. Der Thomas Caparelli, den er seit einem Vierteljahrhundert kannte, hätte diese Bemerkung nie geäußert, denn er hätte kein Verständnis besessen für die implizierten Feinheiten seiner Aussage. Offenbar erweiterte die Amtszeit als Erster Raumlord auf ungeahnte Weise seinen Horizont.
»Sir Thomas hat Recht«, sagte William, bevor der Earl dem Gedanken weiter nachhängen konnte. »Wir denken wirklich noch lange nicht an Rationierung und dergleichen, aber zum ersten Mal seit einhundertundsechzig Jahren stehen wir einem echten Inflationsproblem gegenüber. Das wird nur schlimmer, weil mehr und mehr unserer Industrieleistung allein dem Krieg unterstellt wird, während die Lohnpolitik den Verbrauchern zugleich immer mehr Geld in die Hände gibt. Um es noch einmal zu sagen, das alles ist nur für deine Ohren bestimmt. Ich führe hinter verschlossener Tür mit den Köpfen der größeren Kartelle Verhandlungen, um eine zentralisierte Planung unserer Wirtschaft ins Leben zu rufen.«
»Das haben wir doch schon«, warf White Haven ein.
»Nein, nicht einmal ansatzweise. Ich spreche von echter Zentralisierung, Hamish«, entgegnete sein Bruder sehr ernst. »Nicht bloß Planungsausschüsse und rein militärische Zuteilungskommissionen, sondern die vollständige Kontrolle aller wirtschaftlichen Mittel.«
»Lieber Himmel, das funktioniert nie. Da verliert ihr auf jeden Fall die Kronenloyalisten!«
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht«, entgegnete William. »Sie sind finanzpolitisch zwar noch konservativer als wir, aber bedenke, dass die Zentralisierung unter Kontrolle der Krone stattfände. Damit würden wir ihre Stammwählerschaft ansprechen, weil es die Macht des Monarchen vergrößert. Wir verlieren eher Unabhängige als die Kronenloyalisten, was wir ebenfalls nur schwer verkraften würden, besonders im Oberhaus – und allein der Gedanke, dass die Freiheitler und Progressiven dadurch einen Fuß in die Tür bekommen …« Mit besorgter Miene schüttelte er den Kopf. »Das ersehnen wir uns ganz und gar nicht, Hamish. Vielmehr fürchten wir, dass uns keine andere Wahl bleibt, als unser Problem auf diese Weise zu lösen, wenn wir die industrielle und wirtschaftliche Kapazität nutzen wollen, von der Sir Thomas gerade sprach.«
»Verstehe«, sagte White Haven langsam und fuhr sich nachdenklich mit dem Finger über die Unterlippe. Die Freiheitler und die Progressiven hatten schon immer mehr Regierungskontrolle der Wirtschaft verlangt, während Cromartys Zentralisten sich stets mit Zähnen und Klauen dagegen wehrten, besonders aber, seitdem die Volksrepublik ihren Rutsch in das finanzielle Fiasko begonnen hatte. Nach Ansicht der Zentralisten schuf ein freier Markt, der sich selbst verwaltete, die produktivste Wirtschaft, die man sich denken konnte. Allzu viel Einmischung von Seiten der Regierung wäre wie das Schlachten der sprichwörtlichen Gans, die goldene Eier legt, während letztlich gerade die Produktivität einer größtenteils ungelenkten, niedrig besteuerten Wirtschaft zu weitaus höheren Steuereinnahmen führe. Im Gegensatz dazu behaupteten die Freiheitler und Progressiven, ein ungelenkter Kapitalismus sei in Bezug auf die Verteilung des erlangten Gewinns ungerecht, daher müsse es Aufgabe des Staates sein, die Wirtschaft zu regulieren und eine Steuerpolitik zu verfolgen, die den Wohlstand auf eine gerechtere Weise verteilt. White Haven nahm an, dass beide Standpunkte ihre Berechtigung besaßen, auch wenn seine Position unverrückbar war; allerdings gab er zu, dass sein ererbter Reichtum und Einfluss damit durchaus ein wenig zu tun haben mochten.
Doch was immer Hamish Alexander dachte, Cromarty und sein Bruder William mussten unter sehr großem Druck stehen, um auch nur zu erwägen, diesen ganz besonderen Geist zu wecken. Wenn die Regierung, gleich
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