Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
blickte sich am Tisch um. Auf den Gesichtern der meisten seiner Offiziere zeigte sich Zustimmung, nur Commander Yerensky, der manticoranische Stabsastrogator, schien gelinde Zweifel zu hegen, und Commander Yanakov, der graysonitische Versorgungsoffizier, teilte offenbar Yerenskys Vorbehalte.
»Was meinen Sie, Trev?«, fragte er den Operationsoffizier, Commander Trevor Haggerston der Erewhon Navy. Der untersetzte Mann kratzte sich am Kopf, zuckte mit den Schultern und grinste schief.
»Ich glaube, Jenny und Captain Granston-Henley liegen richtig«, sagte er. »Weiß Gott hat es lange genug gedauert, um die Achte Flotte zusammenzuziehen, und McQueen kann nicht mit Gewissheit sagen, ob wir etwa planen, zusätzlich Einheiten der Dritten für den Angriff auf Barnett abzustellen. Während Theisman zwar vierundfünfzig Großkampfschiffe hat und wir nur neunundvierzig, sind achtundzwanzig seiner Dickschiffe Schlachtschiffe. Damit besitzen wir bei den Großkampfschiffen einen Tonnagenvorteil von fünfzehn Prozent – ausschließlich der Schlachtkreuzer –, und siebenvierzig Prozent Überlegenheit bei echten Wallschiffen. Mit Verbänden aus der Dritten Flotte könnten wir diesen Vorteil sogar verdoppeln, darüber muss McQueen sich im Klaren sein. Unter diesen Umständen hätte jeder, der so gerissen ist wie sie, möglichst viele Schiffe von Barnett abgezogen, bevor wir sie vernichten können. Zumindest hätte sie Superdreadnoughts und Dreadnoughts durch Schlachtschiffe ersetzt, deren Verlust leichter zu verschmerzen ist. Weil sie das aber unterlassen hat, muss sie glauben, dass die unbeweglichen Abwehrforts ausreichen, um Theisman eine Chance zu geben.«
»Bei allem schuldigen Respekt, Admiral, damit wird vorausgesetzt, dass man McQueen völlig freie Hand bei ihren Operationen lässt«, warf Commander Yanakov ein. Der graysonitische VO mit dem sandblonden Haar war einunddreißig, jung genug also, um die Prolong-Behandlung für die erste Generation erhalten zu haben. Er war ein Vetter dritten Grades von Admiral Yanakov und sah bemerkenswert gut aus; seine eindringlichen, goldgefleckten Augen übten eine vernichtende Wirkung aus auf die weiblichen alliierten Offiziere, die ihm über den Weg liefen.
»Ich fürchte, davon müssen wir ausgehen, Commander«, entgegnete O’Brien ungerührt. Wenigstens sie ließ sich offenbar von seinem guten Aussehen und seinem unleugbaren Charme nicht beeindrucken – doch muss man zur Ehrenrettung des Graysons erwähnen, dass er sich seiner Wirkung auf Frauen in keiner Weise bewusst zu sein schien.
»Mir ist wohl klar, dass alle Analysen darauf hindeuten«, sagte Yanakov gelassen, »und sie mögen durchaus zutreffen. Das glaube ich im Grunde auch. Doch gleichzeitig müssen wir immer die Möglichkeit einkalkulieren, dass wir sie falsch bewerten. Wenn man McQueen das Recht einräumt, Entscheidungen zu fällen, ohne dass sie auf zivile Einmischung Rücksicht nehmen muss, so bedeutet das eine grundlegende Abweichung von den eingefahrenen Bahnen der Havies. Wir sollten schon die Möglichkeit einrechnen, dass man die Direktiven nicht ganz so radikal geändert hat, wie wir glauben. Wenigstens müssen wir sehr vorsichtig sein, wenn wir operative Annahmen fällen und dabei zugleich voraussetzen, der Feind hätte seine Direktiven tatsächlich geändert.«
»Nun, da haben Sie allerdings Recht, Zack«, stimmte White Haven ihm zu. »Trotzdem glaube ich, dass das ONI und der SIS völlig richtig liegen, was das Ausmaß von McQueens Autorität betrifft.«
»Wie ich sagte, Sir, glaube ich eigentlich selbst daran«, entgegnete Yanakov mit ehrerbietiger Dickköpfigkeit. »Doch angenommen, sie bestimmt wirklich allein über den Einsatz ihrer Mittel – warum hat sie Theisman dann nicht noch stärker entsetzt? Das ONI hat die Spur von wenigstens drei Superdreadnoughtgeschwadern verloren, ganz zu schweigen von diesen vielen Schlachtschiffen. Wenn ich McQueen wäre und es mir damit ernst wäre, Barnett zu halten, dann hätte ich einige dieser verschwundenen Schiffe schon vor Monaten dorthin verlegt. Das aber ist nicht geschehen.« Er zuckte mit den Achseln und breitete die Hände aus.
»Da hat der Commander nicht Unrecht, Sir«, gab Lieutenant O’Brien zu. »Die gleiche Frage habe ich mir auch schon gestellt. Zudem habe ich auch Captain Leahy« – den leitenden Nachrichtenoffizier der Dritten Flotte – »und sowohl den graysonitischen als auch den manticoranischen Flottennachrichtendienst nach ihren
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